Jahresbericht 2022 des Fachausschusses Altenhilfe
Die Arbeit des Fachausschusses Altenhilfe und Pflege war auch 2022 von der Corona-Pandemie maßgeblich beeinflusst. Es fand eine Vielzahl von Austauschen der in der BAGFW kooperierenden Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) sowie weiteren in der Pandemie relevanten Akteuren statt. Über diese Formate ist es gelungen, Einfluss im Interesse der pflegebedürftigen Menschen sowie der Einrichtungen zu nehmen, Problemanzeigen einzubringen und Lösungswege aufzuzeigen. Die Mitglieder des Fachausschusses haben ihre Mitgliedsverbände fortlaufend über Änderungen informiert, Problemstellungen gemeinsam besprochen sowie individuelle, länderspezifische Lösungsoptionen unterbreitet. Mit dem sogenannten „Pflegeschutzschirm“ konnte die Pflegeinfrastruktur ab März 2020 bis Juni 2022 finanziell gesichert werden. Die Einrichtungen konnten ihre pandemiebedingten Mehrausgaben sowie Mindereinnahmen gegenüber den Pflegekassen geltend machen. Der Fachausschuss hat diesbezüglich entsprechende Stellungnahmen formuliert und die Positionen im Interesse von Seniorinnen und Senioren, Pflegebedürftigen, Pflegemitarbeitenden und Einrichtungen wiederholt in den politischen Prozess eingebracht. Außerdem wurden die entsprechenden politischen Gespräche geführt und Stellungnahmen erarbeitet. Neben der finanziellen Absicherung war die Arbeit des Fachausschusses im Rahmen der Pandemiebewältigung von den Themen Einhaltung und Anwendung der Hygienevorgaben in den Einrichtungen, verpflichtende Coronavirus-Testungen für Beschäftigte, Bewohner:innen und Besucher:innen, der Umsetzung von Coronavirus-Schutzimpfungen einschließlich der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sowie den Regelungen des Pflegebonusgesetzes geprägt.
Des Weiteren hat der Fachausschuss Altenhilfe wiederholt und mit Nachdruck auf die dramatische Situation der Pflege in Deutschland aufmerksam gemacht und eine umfassende Pflegeversicherungsreform gefordert. Nach drei Jahren Pandemie ist die Personaldecke so dünn, dass jeder Ausfall die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen ernsthaft gefährdet. Die Pflegekosten sind für die betroffenen Menschen gestiegen, gleichzeitig ist die Liquidität der Pflegeversicherung gefährdet. Es wurden verschiedene politische Gespräche geführt und andere Aktivitäten unternommen, um eine zeitnahe Finanz- und Strukturreform zu erreichen. Dies wird auch eine der Hauptaufgaben im kommenden Jahr sein.
Die zweite Jahreshälfte 2022 war von den steigenden Energiekosten geprägt. Aufgrund der Lobbyarbeit der BAGFW wurden die Soziale Infrastruktur als wesentlicher Teil der Wirtschaft, aber auch als derjenige Akteur gesehen worden, der in Krisenzeiten konkrete Hilfe für die Menschen organisiert und den sozialen Zusammenhalt sichern hilft. Neben den Maßnahmen der Strom- und Gaspreisbremse für alle Haushalte (auch für die der pflegebedürftigen Menschen) sowie für die Angebote im ambulanten Bereich konnte auch ein Härtefallfonds für die teilstationären und vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie für die stationären Hospize erreicht werden.
Zudem hat sich der Fachausschuss Altenhilfe in die weitere Umsetzung eines Personalbemessungsverfahrens für vollstationäre Pflegeeinrichtungen gem. des Projekts PeBeM eingebracht. Die Trägervereinigungen auf Bundesebene haben in § 113c Absatz 4 SGB XI einen konkreten Auftrag erhalten, bis zum 30. Juni 2022 zusammen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen Empfehlungen zu Inhalten der Verträge nach § 113c Absatz 5 SGB XI zu erstellen. Zur Vorbereitung der Verhandlungen hatte der Fachausschuss Altenhilfe verbändeübergreifend mit den Untergliederungen in der Freien Wohlfahrtspflege am 26. August 2021 und am 7. Dezember 2021 Fachveranstaltungen durchgeführt. Die Verhandlungspositionen mussten vor Aufnahme der Gespräche mit dem GKV-SV mit den privaten Verbänden abgestimmt werden. Zudem wurde ein politisches Positionspapier im Fachausschuss erstellt, um die für eine gelingende Umsetzung erforderlichen Kontextfaktoren zu benennen. Das Papier diente als Grundlage in verschiedenen Gesprächen mit dem BMG sowie im Rahmen der Lobbyarbeit und wurde später mit den privaten Verbänden und dem GKV-SV als gemeinsames Forderungspapier weiterentwickelt. Die Verhandlungen zu den Bundesempfehlungen konnten im Jahr 2022 nicht abgeschlossen werden. Zudem waren weitere Klärungsgespräche mit dem BMG erforderlich, u.a. um für Änderungen des § 113c SGB XI zu werben. Ein Zwischenstand der Verhandlungsergebnisse wurde im Rahmen einer Videokonferenz der BAGFW Ende 2022 den Untergliederungen aller Bundesländer vorgestellt.
Parallel dazu hat sich der Fachausschuss Altenhilfe in die weitere Ausgestaltung des Modellprojekts nach § 8 Absatz 3b SGB XI (modellhafte Einführung) eingebracht durch Teilnahme an einer Beiratssitzung.
Einen weiteren Themenschwerpunkt bildeten die Maßnahmen der Nationale Demenzstrategie. In deren Erarbeitungsprozess war der Fachausschuss Altenhilfe maßgeblich involviert und die Mitglieder des Fachausschusses tauschten sich überverbandlich dazu aus. Am 16. November 2022 wurden auf einer BAGFW Fachtagung Umsetzungsbeispiele aus der Freien Wohlfahrtspflege vorgestellt wie der Expertenstandard Demenz, Demenznetzwerke, Pflegekurse für Angehörige von Menschen mit Demenz. Am 21. Juni 2022 fand die BAGFW-Fachtagung „Förderung von palliativer Entscheidungskompetenz am Lebensende. Welcher Unterstützung bedürfen Menschen mit einer Demenzerkrankung und ihre Angehörigen? statt. Die Veranstaltung wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie gefördert und war Teil der Initiative zur Umsetzung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland und ihrer Handlungsempfehlungen.
Mit verschiedenen Gesetzesvorhaben sowie Vereinbarungen und Richtlinien wurden weitere wichtige Möglichkeiten geschaffen, die Pflege an die Telematikinfrastruktur (TI) anzubinden. Ein wichtiger Meilenstein wird die verpflichtende Anbindung ambulanter Pflegedienste an die TI zum 1. Januar2024 sein. Die Vorbereitung der Anbindung wird vom Fachausschuss eng begleitet. In diesem Rahmen hat der Fachausschuss Gespräche und Austauschformate mit dem BMG, der gematik, der KBV sowie dem GKV-SV geführt und Positionen der Freien Wohlfahrtspflege eingebracht. Außerdem wurde am 01.Dezember 2022 eine online Fachtagung: Telematikinfrastruktur für die Pflege. Wie gelingt die Einbindung an die TI für Pflegeeinrichtungen? durchgeführt, die mit über 500 Teilnehmer:innen auf hohes Interesse stieß Die Bearbeitung digitaler Aspekte der Pflege wird den Fachausschuss auch in den nächsten Jahren weiter beschäftigen.
Die Implementierung des indikatorengestützten Verfahrens der Qualitätsprüfung und -darstellung stationär wurde weiterhin von Seiten des Fachausschusses über die Organisation und thematische Ausweitung von bundesweiten Schulungen für Pflegeeinrichtungen gefördert. Zudem führte der Fachausschuss zum Jahreswechsel 2021/2022 eine Folgeabfrage zu den Praxiserfahrungen der Einrichtungen mit der externen Qualitätsprüfung im Rahmen der Qualitätssicherung in der stationären Pflege (seit November 2019) durch, welche zum Ziel hat, die regelkonforme Umsetzung der Prüfungen zu beobachten. Die Ergebnisse wurden auf der Website der BAGFW publiziert, in der Gremienarbeit genutzt und durch Pressebeiträge flankiert. Am 11. Mai 2022 fand der BAGFW-Onlinefachtag zum Thema „Indikatorengestütztes Verfahren der Qualitätssicherung in der vollstationären Pflege” statt, auf dem unter anderem die Ergebnisse der Folgeabfrage den Gliederungen präsentiert wurden. Fortlaufend betreut der Fachausschuss inhaltlich die entsprechende Themenseite Qualitätsindikatoren der BAGFW-Website, insbesondere die Dokumente zum Thema, wurden stetig aktualisiert.
Daneben befasste sich der Fachausschuss mit dem Umsetzungsstand des Strukturmodells zur Entbürokratisierung in der Pflege. (Online-)Schulungen zum Thema wurden auch 2022 weiter von der BAGFW angeboten.
Darüber hinaus hat sich der Fachausschuss Altenhilfe mit der Umsetzung von vielen Gesetzesvorhaben beschäftigt, u.a. mit den Regelungen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG). Hierzu zählen u. a. die Stärkung der (solitären) Kurzzeitpflege, die Tariftreueregelungen des SGB XI, der prozentuale Leistungszuschlag der Pflegeversicherung für die Bewohner*innen in vollstationären Pflegeeinrichtungen, Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung (§ 64d SGB V). Zu den Rahmenbedingungen und zu praktische Umsetzungsfragen fand am 22. August 2022.eine digitale BAGFW Veranstaltung statt.
Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bildeten die Diskussionen zum assistierten Suizid. In diesem Kontext wurden „Zentrale Forderungen der BAGFW zu den Inhalten eines Suizidpräventionsgesetzes“ erarbeitetet und den politischen Parteien im Bundestag, der interessierten Fachöffentlichkeit und den Mitgliedsverbänden auch auf der Landesebene übersandt.
Im Fachausschuss Altenhilfe und Pflege wurden 35 Stellungnahmen erarbeitet und an einer Vielzahl an Fachbeiträgen mitgewirkt. Besonders hervorzuheben sind dabei die
- Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung
- Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zur Dritten Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung während der Pandemie
- Stellungnahme der BAGFW zum Gesetzentwurf von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften
- Positionen der BAGFW zur Umsetzung der Personalbemessung nach § 113c SGB XI
- Stellungnahme der BAGFW zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung
- Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf der Fünften Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Impfverordnung
- Stellungnahme der BAGFW zur Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen in der Sozialen Pflegeversicherung (Verordnung zur Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen)
- Suizid-Prävention: Zentrale Forderungen der BAGFW zu den Inhalten eines Suizidpräventionsgesetzes
- Stellungnahme der BAGFW zur Weiterentwicklung des Gütesiegels „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ im Jahr 2022
- Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19
- Stellungnahme BAGFW zum Jahressteuergesetz 2022
- Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Vereinbarkeit von Familie und Privatpflege
- Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf einer Formulierungshilfe zur Änderung von § 82 Absatz 5 SGB XI und § 154 SGB XI der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zum Entwurf eines Gesetzes
Die Stellungnahmen waren erfolgreich, da oftmals Inhalte und Formulierungen im Sinne der BAGFW verändert werden konnten.
Der Fachausschuss Altenhilfe bildet das zentrale Gremium zur Koordination der Facharbeit in den Bereichen Altenhilfe, Pflege sowie Hospiz und Palliative Care zwischen den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege und in der BAGFW. Er hat im Jahr 2022 in 12 digitalen Sitzungen sowie an einem Klausurtag über die Pandemiebewältigung und den o. g. Schwerpunkten hinaus u. a. auch zu den Themen: Umsetzung des Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, Klimaschutz in der Pflege, Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, Weiterentwicklung Pflegezeit und Familienpflegezeitgesetz, Hospiz- und Palliative Netzwerke und Fehler- und Lernkultur in der Pflege gearbeitet.