Der Bundestag hat heute Anpassungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beschlossen, um das Land für die im Herbst erwartete nächste Coronawelle zu rüsten. In sozialen Einrichtungen, die vulnerable Gruppen versorgen, wird es dadurch jedoch zu keiner einheitlichen Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen kommen. Noch schlimmer wiegt, dass die Regelungen des Gesetzes für Pflegeheime zu gravierenden wirtschaftlichen Belastungen für die Träger und Unzufriedenheiten bei den Mitarbeitenden führen werden.
„Die coronabedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen insbesondere von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflegeeinrichtungen sind auch abseits eines Zeitraums der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite eine betriebswirtschaftlich existenzbedrohende Herausforderung“, schätzt Dr. Gerhard Timm, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) ein. „Nach Auslaufen der Hilfemechanismen im Sommer, werden die Einrichtungen und deren Klient:innen hier auf den coronabedingten Mehrkosten sitzen gelassen. Insbesondere die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, die nur über die Ausrufung eine epidemische Lage von nationaler Tragweite die Möglichkeit haben, Corona-bedingte Anpassungen von Vergütungsvereinbarungen vorzunehmen. Das einfachste Instrument in Form eines Zuschlags für den Infektionsschutz wird hier leider nicht genutzt.“
Die Masken- und Testplicht in der Pflege, in der Eingliederungshilfe und medizinischen Einrichtungen ist nachvollziehbar. Die gesetzliche Ausgestaltung wirft aber nicht geklärte Fragen hinsichtlich des Maskentragens in allen gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten auf, da diese nicht definiert sind. Auch die weiteren Hygienemaßnahmen sind notwendig. Allerdings agiert der Gesetzgeber hier nicht sachlogisch. So werden auf der einen Seite Hygienepläne und -beauftrage vorgeschrieben, was in den Einrichtungen schon seit Jahren Standard sind. Auf der anderen Seite werden unsinnige Dokumentationspflichten geschaffen, die auch noch bußgeldbewährt sind. Der dadurch entstehende Mehraufwand bei den Mitarbeitenden wird hingegen komplett ignoriert. D. h. diese Mehraufgaben gehen zu Lasten der direkten Pflege und Betreuung.
Die Einführung eines Bonussystems für die Hygienebeauftragten in Pflegeheimen überzeugt hier keinesfalls. Eine Prämie deckt nicht die Kosten der anfallenden Mehrarbeit, was notwendig wäre, damit diese Arbeit zusätzlich und nicht anstatt der Pflege geleistet werden kann.
In der ambulanten Pflege und anderen Einrichtungen fällt der Corona-bedingte Mehraufwand ebenfalls an, wird aber ebenfalls nicht honoriert. Nachdem schon die letzte Runde des Pflegebonus aufgrund des Verteilungsschlüssels vor Ort bei den Beschäftigten vor allem Unmut erzeugt hat und nicht als Anerkennung der besonderen Leistungen in der Pandemie wahrgenommen wurde, droht mit dem nächsten Bonus das nächste Fiasko durch Verärgerung der Beschäftigten in der Pflege und anderswo. Zu Recht, denn Beschäftigte sollen für ihre Mehrarbeit einen ordentlichen Stundenlohn erhalten statt eines Bonus für zusätzliche Arbeit nach Feierabend.