Stellungnahme der BAGFW zu der Verordnung über die Verleihung der Rechtsfähigkeit an wirtschaftliche Vereine nach § 22 BGB

Nach § 22 BGB-E wird einem wirtschaftlichen Verein die Rechtsfähigkeit nur dann verliehen, wenn „dies durch Gesetz bestimmt ist oder wenn es für den Verein unzu-mutbar ist, seinen Zweck in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder Genos-senschaft zu verfolgen“.

Wir bedanken uns für die Möglichkeit einer Stellungnahme zur RVV-E. Wir weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf unsere Stellungnahme zum Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften (BT-Drs.: 18/11506) hin. Darin wird die vorgesehene Änderung des § 22 BGB als ungeeignet für einen Großteil der Vereine, die in der Wohlfahrtspflege organisiert sind, abgelehnt. Vorschläge, wie aus unserer Sicht eine gute Lösung gefunden werden könnte, sind dort ebenfalls vorgelegt.

 

Nach § 22 BGB-E wird einem wirtschaftlichen Verein die Rechtsfähigkeit nur dann verliehen, wenn „dies durch Gesetz bestimmt ist oder wenn es für den Verein unzumutbar ist, seinen Zweck in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zu verfolgen“. Es besteht für den antragenden Verein damit eine Darlegungspflicht, warum eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft nicht geeignet erscheint. Hier sehen wir für die Zukunft eine fast unüberwindbare Hürde, weil theoretisch immer zumindest die Rechtsform der Unternehmergesellschaft nach § 5a GmbHG gewählt werden könnte. Nach Abs. 2 soll zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements durch Rechtsverordnung für wirtschaftliche Vereine geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen regelmäßig davon auszugehen ist, dass die Verfolgung des Vereinszwecks in einer anderen Rechtsform unzumutbar ist. Diese Abwägung findet sich allerdings so nicht im Verordnungstext. Lediglich im Begründungstext zur RVV-E kann man einen Hinweis finden, dass, wenn ein Verein die Anforderungen der §§ 2 bis 4 RVV-E erfüllt, man davon ausgehen könne, dass die Erlangung der Rechtsfähigkeit in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft unzumutbar sei und deshalb dem wirtschaftlichen Verein Rechtsfähigkeit auf Antrag zu verleihen sei.

 

Für Vereine macht es einen Unterschied, ob sie sich als Verein selbständig gründen können und sich beim Vereinsregister lediglich eintragen lassen müssen oder ob sie einen formalen Antrag auf Verleihung der Rechtsfähigkeit stellen müssen. Entgegen der Ausführungen des RVV-E E.2 kann nicht von einem geringen zusätzlichen Erfüllungsaufwand für die Erfüllung der satzungsmäßigen Verleihungsvoraussetzungen ausgegangen werden. Es sind in den Ländern zunächst neue Richtlinien für die Verleihung der Rechtsfähigkeit  an wirtschaftliche Vereine nach § 22 BGB an Vereine zu erlassen und Behördenstrukturen zu schaffen, die für die Verleihung der Rechtsform wirtschaftlicher Verein zuständig sind. Letztlich sind Amtshandlungen der Verleihungsbehörden immer auch kostenpflichtig, was auf die neu zu gründenden wirtschaftlichen Vereine „umgelegt“ werden müsste. Des Weiteren müssen die Verleihungsbehörden Verzeichnisse führen, in denen alle Vereine aufgeführt sind, denen Rechtsfähigkeit nach § 22 BGB i.V.m. der RVV und den jeweiligen Verordnungen des Landes verliehen wurde. Durch eine Reform des Vereinsrechts, wie sie die BAGFW vorschlägt, würden diese Kosten geradezu auf Null reduziert werden, da es bestehende und gut funktionierende Vereinsregister mit Jahrzehnte langer Erfahrung bei den Gerichten gibt.

 

Zu § 2 RVV-E

 

Nr. 1 : In der beispielhaften Aufzählung des Entwurfs fehlt die Benennung des Betriebs einer Kita ebenso wie Vereinigungen, die aus bürgerschaftlichem Engagement betrieben werden, obwohl in der Begründung ausdrücklich darauf eingegangen wird, wenn sie von den zuständigen Registergerichten nicht als Idealverein ins Vereinsregister eingetragen werden. Ausdrücklich wird in der RVV-E gefordert, dass der Verein eine vorwiegend unternehmerische Tätigkeit entfaltet, weil ein entsprechendes erwerbswirtschaftliches Angebot in ausreichendem Umfang nicht besteht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Engagement beispielsweise im Verein zum Betrieb einer Kindertagesstätte mit besonderer pädagogischer Ausrichtung nicht möglich ist, wenn bereits ein ähnliches Angebot vor Ort vorhanden ist. Damit wird in das Recht, sich in Vereinen zu organisieren, in erheblichem Umfang eingegriffen. Viele kleinere Kitaformen, die ja mit diesem Entwurf erfasst werden sollen, sollen gerade als (Elterninitiativ-) Kitas mit einem besonderen Profil neben bereits bestehenden Angeboten betrieben werden (z.B. Waldorf- oder Montessori Kindergärten). Zudem stellt der Entwurf nur auf dörfliche und ländliche Strukturen ab. In einer Stadt wie Berlin, in der die Rechtsprechung des Kammergerichts besonders für den Bereich der Kitas Auswirkungen auf die Rechtsformwahl hat, wird es immer auch bestehende Strukturen geben, in denen es ein entsprechendes erwerbswirtschaftliches oder kommunales Angebot geben wird.

 

Nr. 2: Dass der Name des Vereins mit seiner Rechtsbezeichnung geführt werden muss, ist selbstverständlich. Jedoch wird es in den meisten Fällen dem Selbstverständnis vieler Vereine widerstreben, dass sie sich als wirtschaftlichen Verein bezeichnen müssen, obwohl sie sich als Idealverein sehen, einen ideellen Zweck verfolgen, aber ihre unternehmerische Tätigkeit  nicht als Nebentätigkeit im Verhältnis zu ihrer nichtwirtschaftlichen Zweckverfolgung anzusehen ist und sie deshalb in diese Rechtsform gezwungen werden. Auch gibt es derzeit keine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung. Eine Abkürzung w.V. wäre jedenfalls derzeit nicht allgemein verständlich.

Nr. 8: Die Regelungen über die Verwendung des Gewinns des wirtschaftlichen Vereins sind positiv zu werten. Jedoch ist unklar, ob die wirtschaftlichen Vereine auch gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung sein können. Dies ist aber zwingende Voraussetzung, um Mitglied in einem Wohlfahrtsverband sein zu können. Hier sehen wir ganz deutlichen Klarstellungbedarf.

 

Zu § 4 RVV-E

 

Abs. 1 des Entwurfs sieht als Umsatzhöhe 600 000 € und als jährlichen Gewinn höchstens 60 000 € vor. Allein von der Umsatzgröße werden damit nur sehr kleine Vereine erfasst. Für alle anderen, größeren Vereine, die bislang von der Löschung aus dem Vereinsregister bedroht sind, stellt dieser Entwurf keine Lösung dar. Es bedarf damit nach wie vor einer entsprechenden Regelung im § 21 BGB.

 

Zu § 5 RVV-E

 

Nr. 2: Den wirtschaftlichen Verein trifft eine unverzügliche Verpflichtung, auch Änderungen in der Vergütung von Organmitgliedern der zuständigen Behörde mitzuteilen. Dies führt zu einem sehr hohen Verwaltungsaufwand für die zuständige Behörde, wenn sie neben Satzungs- und Vorstandsänderungen auch die Höhe der Vergütung nachhalten muss.

 

Zusammenfassung:

 

Besonders für den Bereich der Kitas halten wir die RVV-E für nicht geeignet, eine Alternative zur Rechtsform des Idealvereins darzustellen. § 2 Nr. 1 des Entwurfs macht zudem deutlich, dass der wirtschaftliche Verein vor allem unternehmerische Angebote mit einem wirtschaftlichen Zweck (Dorfladen, Personenbeförderung usw.) abdecken soll – die Vereine innerhalb der Freien Wohlfahrtspflege verfolgen diesen gerade nicht, sondern haben ideelle Zwecke, welchen ihre unternehmerischen Aktivitäten untergeordnet sind. Deshalb hilft der Entwurf den Idealvereinen in der Sozialwirtschaft nicht weiter.