Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf des 2. Jahressteuergesetzes 2024 Teil II

Die BAGFW dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme und nimmt gern die Gelegenheit wahr, ihre Positionen zu dem oben benannten Referentenentwurf in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

Artikel 8 „Änderung der Abgabenordnung“

Zu 2. b)

Wir begrüßen die geplante gesetzliche Klarstellung zur Möglichkeit einer Stellungnahme gemeinnütziger Körperschaften zu tagespolitischen Themen außerhalb der Satzungszwecke. Aufgrund der gesetzlichen Regelung kann sie im Vergleich zur bisherigen Verwaltungsregelung die Rechtssicherheit für die gemeinnützigen Körperschaften der Freien Wohlfahrtspflege erhöhen.

Artikel 9 „Weitere Änderung der Abgabenordnung“

Zu 2.

Die vorgesehene Aufhebung von § 55 Abs. 1 Nummer 5 AO, Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung, eröffnet einerseits den gemeinnützigen Körperschaften neue Entscheidungsmöglichkeiten und stellt durch den Wegfall des Mittelverwendungsnachweises einen Beitrag zum Bürokratieabbau in den Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege dar. Dieser Bürokratieabbau wird durch die Freie Wohlfahrtspflege begrüßt. Gleichwohl ist die Abschaffung genauer zu betrachten, da es in diesem Bereich bislang kaum Problemanzeigen gegeben hat.

Außerdem begrüßen wir die in der Gesetzesbegründung enthaltene Erleichterung der Leistungsbeziehungen zwischen/ innerhalb von gemeinnützigen Körperschaften bei einer  gemeinnützigkeitsrechtlichen Nutzungsänderung von Vermögenswerten, einem sogenannten Sphärenwechsel, zum Beispiel durch Übertragung eines Vermögenswertes aus dem ideellen Bereich in die Vermögensverwaltung, durch Wegfall des Wiederauflebens der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung in Höhe des Verkehrswertes des Vermögenswertes, sofern dieser ursprünglich aus gebundenen Mitteln finanziert wurde.

Die Notwendigkeit gemeinnützigkeitsrechtlich gebundene Mittel zeitnah zu verwenden, soll auch nach einer Aufhebung von § 55 Abs. 1 Nummer 5 AO bestehen bleiben, richtet sich aber nunmehr nach allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen. Infolge der Aufhebung entfallen auch die bislang bestehenden Regelungen zur Bildung von Rücklagen und zur Vermögensbildung (§ 62 AO). Die Zulässigkeit der Bildung von Rücklagen sowie die eigene Vermögensbildung, wird künftig durch die gesetzlichen Regelungen der Abgabenordnung zur Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit begrenzt werden, erfolgt vermutlich dann aber analog einem gewerblichen Unternehmen. Diese Umstellung auf allgemeine handelsrechtliche Regeln unter gleichzeitiger Beschränkung durch gemeinnützigkeitsrechtliche Vorschriften bedeutet für ca. 125.000 gemeinnützige Körperschaften der Freien Wohlfahrtspflege aber eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Es besteht eine Vielzahl von offenen Fragen in diesem Zusammenhang, wie:

  • Wieviel darf eine gemeinnützige Organisation an Geld zurückhalten, wieviel muss bis wann ausgegeben werden?
  • Welchen Zeitraum darf ein Spender erwarten, in dem Spenden dem Zweck zuzuführen sind?
  • Ab wann würde eine gemeinnützige Organisation zu einer sog. Kapitalsammelstelle?

Hinzu kommt, dass laut Gesetzesbegründung die gesetzliche Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung in eine Eigenverpflichtung der steuerbegünstigten Körperschaft zu einer zeitnahen Mittelverwendung gewandelt wird. Eine Streichung der gesetzlichen zeitnahen Mittelverwendungspflicht kann und darf nicht dadurch begründet werden, dass sich die steuerbegünstigten Körperschaften im eigenen Interesse an eine zeitnahe Mittelverwendungspflicht im bisherigen gesetzlichen Zuschnitt halten.

Und selbst, wenn man unterstellt, dass es im eigenen Interesse der jeweiligen steuerbegünstigten Körperschaften liegt, ihre Mittel weiterhin regelmäßig zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden, kann dieser intendierte Wunsch bei Spenden in Katastrophenfällen oft nicht erfüllt werden. Denn § 53 AO knüpft immer an die Hilfsbedürftigkeit an, die seitens der Finanzverwaltung in Frage gestellt wird, wenn vorrangig private Versicherungsansprüche oder Ansprüche auf staatliche Hilfe für Schäden in Katastrophenfällen bestehen. So kann beispielsweise eine Spendenverteilung zur Beseitigung der Folgen von Naturkatastrophen erst erfolgen, wenn andere vorrangige Ansprüche geprüft sind und erst bei ihrem Fehlen eine Hilfsbedürftigkeit zweifelsfrei feststeht. Eine solche Feststellung kann Jahre dauern und widerspricht dem mutmaßlichen Spenderwillen. Die Spender wollen Menschen in Not unverzüglich und unbürokratisch helfen. Die bestehende Rechtsunsicherheit wird durch die vorliegende Änderung der Abgabenordnung und die Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendung nicht beseitigt. Der Gesetzgeber sollte daher den Rahmen für eine steuerbegünstigte Hilfe für Katastrophenopfer möglichst bald durch die Einfügung eines eigenen Tatbestands in § 53 AO und eine Ergänzung des Zweckkatalogs in § 52 Abs. 2 AO verbessern. Wir verweisen auf den entsprechenden rechtspolitischen Vorschlag der BAGFW[1].

Konkretere Auswirkungen sind aufgrund der Kürze der Stellungnahmefrist nicht vollständig zu übersehen. Wir regen daher an, die Auswirkungen gemeinsam mit Vertretern der Praxis, der Wissenschaft und den Verbänden breit zu diskutieren, um im Ergebnis einen etwaigen weitergehenden Regelungsbedarf zu erkennen.

Wir stellen fest, dass für die Erfüllung unserer sozialen Aufgaben, die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zur Vorsorge für unternehmerische Risiken unserer gemeinnützigen Einrichtungen und Dienste auch eine Bildung von Rücklagen und in beschränktem Umfang, eine Zuführung zu eigenen Vermögenswerten notwendig ist. Hierfür kann aber insbesondere das Bestehen einer gesetzlichen Mittelverwendungspflicht von Vorteil sein.

Außerdem weisen wir auf den Widerspruch des Referentenentwurfs zum Jahressteuergesetz Teil II, nachdem § 62 AO komplett entfällt, zu der im Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz Teil I geplanten Neuformulierung von § 62 Abs. 1 AO hin, bei dem die Einführung einer sog. „ex ante“ Perspektive geplant war.

Darüber hinaus bedauern wir, dass auch im Jahressteuergesetz 2024, Teil II, die rechtspolitischen Vorschläge der Freien Wohlfahrtspflege zur Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts nicht aufgegriffen wurden1.

 

Berlin, 17.07.2024

Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V.

Evelin Schulz
Geschäftsführerin

 

 

Kontakt:

Frank Hofmann (frank.hofmann(at)diakonie.de)

 


[1] Rechtspolitische Vorschläge der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gemeinnütziger Körperschaften