Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Umsetzung des Teilhabechancengesetzes wissenschaftlich evaluiert (IAB 2024). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat diesen Bericht gewürdigt und eine Bewertung abgegeben. Die BAGFW nimmt dies zum Anlass, ihre Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II zu benennen. Zur grundsätzlichen Ausrichtung und Bedeutung des Förderinstruments hat sich die BAGFW in einer Stellungnahme vom 11.10.2023 geäußert (BAGFW 2023). In der vorliegenden Positionierung liegt der Fokus auf zentralen und kurzfristig umsetzbaren Weiterentwicklungen. Gleichzeitig wird die essenzielle Bedeutung einer auskömmlichen Finanzierung für die Teilhabe am Arbeitsmarkt betont. Es gilt für § 16i SGB II wie für andere Förderangebote der Grundsicherung im SGB II: Langzeitarbeitslose Menschen mit vielfältigen Unterstützungsbedarfen benötigen eine adäquate und nachhaltige Förderung, um wieder Fuß zu fassen und ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Wird der Eingliederungstitel noch weiter gekürzt, ist die Folge ein verfestigter Leistungsbezug und es droht soziale Infrastruktur wegzubrechen (bspw. gemeinnützige Träger, die soziale Projekte realisieren).
Die BAGFW teilt die positive Bewertung des IAB und BMAS zur Treffsicherheit und Effektivität des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Die gewünschten Zielgruppen werden erreicht und die öffentlich geförderte Beschäftigung verbessert zumeist die soziale Teilhabe, das subjektive Wohlbefinden und die Beschäftigungsfähigkeit der Geförderten. Mit dem Lohnkostenzuschuss und der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung existiert nunmehr (wieder) ein sowohl arbeitsmarkt- wie sozialpolitisch wichtiges Instrument für besonders arbeitsmarktferne Personen. Eine Lücke in der Arbeitsförderung ist damit geschlossen. Im Grundsatz hat sich die Förderung somit bewährt, sie sollte weitergeführt und weiterentwickelt werden, um ihre positive Wirkung zu stärken. Zentrale Voraussetzung, damit das Instrument seine positive Wirkung entfalten kann ist eine ausreichende und langfristig verlässliche Finanzierungsgrundlage. Darüber hinaus zeigt die Evaluation strukturelle Verbesserungsbedarfe bei der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung sowie beim Übergangsmanagement vom geförderten Arbeitsverhältnis in eine anschließende Tätigkeit. Arbeitgeber der Freien Wohlfahrtspflege, die Personen nach § 16i SGB II beschäftigen, bestätigen diesen Weiterentwicklungsbedarf.
1. Finanzierung
Die Finanzierung der Förderung „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ basiert auf zwei zentralen Quellen: den Zuweisungen durch den Bund im Rahmen des Eingliederungstitels (EGT) sowie auf dem sog. Passiv-Aktiv-Transfer (PAT), mit dem eingesparte Gelder für den Regelbedarf und die Wohnkosten zur Finanzierung des Instrumentes eingesetzt werden können. Das Budget für den Eingliederungstitel (Soll) lag 2020 und 2021 noch bei etwa 5 Mrd. Euro und ist bis 2024 auf 4,15 Mrd. Euro reduziert worden. Wie viel Geld den örtlichen Jobcentern aus dem EGT tatsächlich zur Verfügung steht, hängt davon ab, ob Mittel aus dem EGT für die Deckung der Verwaltungskosten – v.a. Personal und laufende Kosten – umgeschichtet werden (müssen) und in welchem Umfang die Mittel auch eingesetzt werden.
2021 wurden für „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ insgesamt 925 Mio. Euro aufgewendet, davon 222 Mio. Euro (24 Prozent) über den PAT. Gefördert wurden damit jahresdurchschnittlich rund 42.700 Personen. Anfang 2023 wurden die Pauschalen, die die eingesparten „passiven” Leistungen abbilden und über den PAT eingesetzt werden können, angehoben. Damit ist der Anteil der Finanzierung über den PAT auf 37 Prozent angestiegen. Nach Angaben des BMAS wurden 2023 hochgerechnet rund 940 Mio. Euro für „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ eingesetzt. Davon rund 350 Mio. Euro über den PAT.[1]
Zwei Probleme wirken sich aktuell nachteilig auf die Nutzung der Förderung „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ aus. Zunächst gibt es einen Widerspruch zwischen jährlicher Haushaltsaufstellung beim Bund und einer längerfristigen Mittelbindung durch die bis zu 5 Jahre währende Lohnkostenunterstützung durch das Instrument. Jobcenter gehen beim Einsatz der Förderung Verpflichtungen für die Folgejahre ein, ohne dass die Zuweisung entsprechender Mittel gesichert wäre. Die Evaluation des IAB weist darauf hin, dass 80 Prozent der befragten Jobcenter-Geschäftsführungen in der langfristigen Mittelbindung ein Finanzierungsproblem sehen. Sie befürchten, dass der § 16i SGB II in Zukunft einen zu großen Teil der Eingliederungsleistungen in Anspruch nimmt. Weniger als die Hälfte der Jobcenter-Geschäftsführungen hat Vertrauen, dass die erforderlichen Mittel in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden (dieser Aussage stimmen lediglich je 22 Prozent der Geschäftsführungen „voll und ganz“ oder „eher“ zu).[2] Diese Aussagen stammen aus dem Jahr 2022 und reflektieren damit noch nicht die aktuell drohenden Kürzungen im Bereich der Arbeitsförderung.
Zudem drohen massive Mittelkürzungen durch die aktuellen Haushaltsplanungen mit Blick auf das SGB II. Für das Jahr 2024 sind massive Unterdeckungen erst durch den Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag verhindert worden, der 1,35 Mrd. Euro an Haushaltsresten zu Lasten aller Einzelpläne einmalig für 2024 für die Verwaltung zur Verfügung gestellt hat. Den Jobcentern standen damit in der Summe die Mittel zur Verfügung, die im Vorjahr als Ist-Ausgaben benötigt wurden. Anderenfalls hätten im laufenden Haushaltsjahr in einem erheblichen Umfang Mittel aus dem EGT zur Finanzierung des Personals und der laufenden Kosten umgeschichtet werden müssen.
Für das Haushaltsjahr 2025 sind laut Kabinettsbeschluss 350 Mio. Euro Ausgabereste im EGT angesetzt. Die Bundesagentur für Arbeit und die kommunalen Spitzenverbände befürchten daher für 2025 notwendige Umschichtungen in der Größenordnung von einer Milliarde Euro zulasten der Arbeitsförderung. Die Träger der Grundsicherung hatten im Vorfeld der Haushaltsaufstellung verlautbart, dass bei einem Fünftel der Jobcenter keine Mittel mehr für neue Maßnahmen der Arbeitsförderung verblieben, wenn die bereits eingegangenen Verpflichtungen berücksichtigt wurden..[3]
Zudem ist der Eingliederungstitel um 450 Mio. Euro auf 3,7 Mrd. Euro gekürzt worden. Diese Kürzung soll durch die Verlagerung der Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) und Reha auf die Arbeitsagenturen kompensiert werden. In der Summe wird das zur Verfügung stehende Budget für die Verwaltung der Jobcenter und Förderung im SGB II deutlich reduziert. Es ist zu befürchten, dass unter den Kürzungen insbesondere die Instrumente leiden werden, die als vergleichsweise teuer gelten. Das gilt etwa bei oberflächlicher Betrachtung für die Teilhabe am Arbeitsmarkt, § 16i SGB II. Jobcenter werden unter restriktiven Haushaltsvorgaben insbesondere bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt „sparen“ wollen. Das Instrument wird durch die reduzierte Finanzausstattung massiv begrenzt. Bestehende Verpflichtungen werden zwar weitergeführt. Neue Maßnahmen werden aber kaum mehr bewilligt.
Die Jobcenter reagieren bereits jetzt mit Kürzungen bei der Förderung von „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Laut BA-Statistik ging der Bestand bereits erheblich zurück – von einem Höchststand von 43.000 Teilnehmenden Ende 2021 auf aktuell 31.110 (Mai 2024). Die Neueintritte haben sich im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr auf etwa 400 pro Monat halbiert – bundesweit. Klar ist, dass dieser Rückgang nicht an einer Unzulänglichkeit des Instrumentes liegt, sondern allein an der unzureichenden Mittelausstattung der Jobcenter durch den Bund und den beschriebenen Unsicherheiten.
Forderungen der BAGFW:
- Die Jobcenter müssen für ihre Aufgaben mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden. Dies gilt gleichermaßen für das Verwaltungsbudget wie für den Eingliederungstitel. Umschichtungen aus dem Eingliederungstitel ins Verwaltungsbudget müssen vermieden werden.
- Damit die Jobcenter eine größere Planungssicherheit bekommen, empfiehlt es sich, für das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ einen eigenen Titel im Einzelplan einzuführen. Die Mittelausstattung muss zudem für mehrere Jahre verlässlich ausgewiesen werden und mit dem Eingliederungstitel einseitig deckungsfähig sein, damit bei Bedarf weitere Förderungen nach § 16i SGB II bewilligt werden können. Dies entspricht laut IAB-Evaluation auch dem Wunsch der Geschäftsführungen der Jobcenter.[4] Die Höhe des Ansatzes muss so ausfallen, dass sie der Größe der Zielgruppe gerecht wird. Die Mittelverteilung auf die einzelnen Jobcenter sollte sich an einem eigenständigen Indikator für den einschlägigen Problemdruck vor Ort orientieren. So soll sichergestellt werden, dass die finanziellen Mittel dort konzentriert eingesetzt werden, wo die größten Bedarfe bestehen.
- Die Potenziale des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) sind weiter zu nutzen und auszubauen. Bislang ist der PAT durch einen Haushaltsvermerk institutionell nur schwach verankert. Die Nutzung des PAT ist den örtlichen Jobcentern überlassen. Sie sollte verbindlich ausgestaltet werden. Dafür könnte der PAT im SGB II verankert und eine Nutzung allgemein verbindlich gemacht werden. Zudem sollten die PAT-Pauschalen jährlich dynamisiert, zumindest jedoch überprüft und angepasst werden.
- Durch die Schaffung von öffentlich geförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sinkt in vielen Fällen auch der Anteil, den die Kommunen für die Finanzierung der Unterkunftskosten aufwenden müssen. Das Grundprinzip des PAT ist daher auch auf kommunaler Ebene umsetzbar. Die Potenziale eines kommunalen PAT – Umwidmung eingesparter Unterkunftskosten für die Arbeitsförderung – sollten genutzt werden.
2. Coaching
Ein zentrales Element der nach § 16i SGB II geförderten Arbeitsverhältnisse ist die kontinuierliche ganzheitliche Betreuung, die aktuell durch externe Coaches oder Jobcenter-Personal umgesetzt wird. Mehr als die Hälfte der Geförderten wurde im Rahmen des Coachings bei Problemen im Betrieb (59,6 Prozent) und beim Umgang mit Behörden unterstützt (58,9 Prozent). Bei rund 52 Prozent der Geförderten unterstützte der Coach bei gesundheitlichen Fragen. Die wissenschaftlichen Befunde des IAB bestätigen die große Bedeutung einer kontinuierlichen Betreuung von Geförderten; gleichzeitig werden aber auch Mängel in der praktischen Umsetzung benannt: In vielen Fällen werden teils eklatante Unterstützungsbedarfe nicht erkannt und können deshalb nicht bearbeitet werden. Als wesentliche Ursache hierfür nennt das IAB die fehlende Diagnostik und mangelndes Fallverstehen seitens der Coaches. Unerkannte und schwelende Problemlagen konstituieren jedoch eines der zentralen Risiken für die Stabilität der geförderten Beschäftigungsverhältnisse.[5]
Auch die Bereitstellung des Coachings muss noch verbessert werden. Eine nicht zu vernachlässigende Gruppe der Geförderten hat auch ca. zwei Jahre nach Förderbeginn kein Coaching erhalten, bei rund einem Fünftel der Geförderten endete das Coaching nach dem ersten Jahr. Es scheint, dass das Coaching durch Jobcenter beendet wird, um das Eingliederungsbudget zu schonen und dass es weniger am individuellen Förderbedarf der 16i-Beschäftigten orientiert ist. Nur rund 70 Prozent hatten nach eigenen Angaben ein „dauerhaftes Coaching“. Ungünstig ist es, wenn das Coaching erst deutlich nach Förderbeginn einsetzt, denn dann ist ein erheblicher Umfang an nicht realisiertem Betreuungsbedarf zu beobachten, so die Evaluation.
Die Befunde des IAB zeigen, dass die personelle Kontinuität beim Coaching eine zentrale Rolle für das Vertrauensverhältnis und damit auch für die Förderwirkungen einnimmt. So stimmte die überwiegende Mehrheit der geförderten Personen zu, dass sie dem Coach vertrauten. Befragte Geförderte mit einem Coachwechsel stimmten dieser Aussage jedoch signifikant seltener zu.[6]
Gleiches gilt für „den Zugang zum Betrieb und Einblick in das für den Geförderten relevante betriebliche Geschehen und die Arbeitsprozesse“. Das IAB betont, dass die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung von Beginn an den Prozess der betrieblichen Integration begleiten muss und es dafür des Einblicks sowohl in die inhaltliche Seite der Arbeit und die Leistungsanforderungen an die Geförderten als auch eines Verständnisses von der sozialen Beschaffenheit der betrieblichen Gemeinschaft mit Blick auf Kolleg*innen und Vorgesetzte der Geförderten bedarf. Nur auf diese Weise kann dafür gesorgt werden, dass die Geförderten auch entsprechend ihres Status als Geförderte im Betrieb eingesetzt werden. Es liegt also in der Verantwortung des Coaches, sich diese Betriebsnähe zu „erarbeiten”.[7]
Die BAGFW fordert:
- Zur Sicherstellung der Qualität des Coachings sollte der Coach das Helfen professionell gelernt haben, d.h. über eine Berufsausbildung oder ein Studium mit sozialpädagogischem, sozialarbeiterischem oder sozialtherapeutischem Schwerpunkt oder eine Ausbildung im systemischen Coaching verfügen. Außerdem sollte fundierte Berufserfahrung in der Arbeit mit der Zielgruppe vorliegen sowie Kenntnisse des lokalen Hilfesystems. Mit Blick auf den Übergang in ungeförderte Beschäftigung ist eine gute Kenntnis des regionalen Arbeitsmarktes notwendig.
- Neben der formalen Qualifikation sind auch die Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Eine fachlich adäquate Betreuung setzt einen dazu passenden Betreuungsschlüssel voraus. Zu den fachlichen Standards eines qualitativ hochwertigen Coachings gehört auch der Austausch mit anderen Coaches, ebenso die Möglichkeit einer Supervision. Ein Coach sollte gut in ein entsprechendes kollegiales Setting eingebunden sein, das gleichzeitig als Kontrollmechanismus fungiert. Hierfür muss ausreichend Zeit zur Verfügung stehen und die Fallrelation muss dies berücksichtigen. Die vom IAB vorgeschlagene Fallrelation von 1:45 kann aus Sicht der BAGFW nur eine absolute Obergrenze darstellen. Sie müsste deutlich niedriger sein, wenn man die vorliegenden Vorschläge nicht zuletzt zum Übergangsmanagement ernst nimmt.
- Coaches sind professionell Helfende, die angesichts der oft komplexen Problemlagen der Zielgruppe des § 16i über eine hohe Qualifikation verfügen müssen. Dieses Personal wird in der Regel tariflich entlohnt. Bei lang beschäftigtem Personal fallen entsprechend höhere Personalkosten an. Diese Kosten sind angemessen, um das Personal zu halten und die Qualität des Coachings zu garantieren. Das muss auch bei öffentlichen Ausschreibungen anerkannt werden und darf sich nicht nachteilig auswirken.
- Bisher ermöglicht das Gesetz zweierlei Arten der Umsetzung des Coachings: Durch das Jobcenter und seine Beschäftigten selbst oder durch Vergabe an Dritte. Laut IAB-Evaluation wurden insgesamt etwa 60 Prozent der Geförderten bei Coachingbeginn durch externe Coaches und 40 Prozent durch Jobcenter-Coaches betreut.[8] Dabei ist zu beachten, dass die Inhouse-Maßnahme qua Gesetz keinesfalls als Regelmodell der Leistungserbringung vorgesehen ist, sondern nur als Sonderfall, der unter bestimmten Bedingungen eintreten kann. Dem sozialstaatlich verankerten Subsidiaritätsgrundsatz folgend (§ 17 SGB II), gilt ein Vorrang von sogenannten Dritten, insbesondere der Freien Wohlfahrtspflege, bei der Leistungserbringung und ein Zurückhaltungsgebot auf Seiten der Agentur für Arbeit bzw. des kommunalen Trägers, der an die Stelle der Arbeitsagentur tritt.
- Es muss grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet werden, das Coaching beim Arbeitgeber anzusiedeln, sofern er über qualifiziertes Personal verfügt. Auf diese Weise ist der unmittelbare institutionelle Zugang des Coachs zum Betrieb sichergestellt. Der Coach erlebt die geförderte beschäftigte Person direkt im betrieblichen Kontext, erkennt Konflikte und Probleme in eigener Wahrnehmung und zeitnah, statt nur aus zweiter Hand. Voraussetzung muss sein, dass die betriebliche Funktion des/der Vorgesetzten bzw. des Anleiters/der Anleiterin personell und organisational getrennt ist von der Funktion des Coaches. Es liegt sowohl im Interesse der Arbeitgeber als auch der Geförderten, dass Probleme ganzheitlich bearbeitet und damit die Leistungsfähigkeit erhöht wird. Die Erfahrung mit ögB NRW zeigt, dass Anleiter*innen/Vorgesetzte offener sind für Kritik, wenn diese von einem betriebsinternen Coach kommt, im Vergleich zu einem Externen Coach.[9] Neben dieser personellen Trennung müssen weitere Bedingungen erfüllt sein, die eine Unabhängigkeit des Coaches garantieren, z.B. muss Verschwiegenheit anerkannt und gelebt werden. Diese berufsethischen Standards müssen in einem Konzept festgehalten werden.
- Das Coaching muss von Anfang an mit einem Vermittlungsauftrag versehen sein, siehe „Übergangsmanagement“.
3. Übergangsmanagement
Dem Übergangsmanagement wird in der bisherigen Umsetzung des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zu wenig Beachtung geschenkt, u.a. weil Rollen, Aufgaben und Erwartungen der beteiligten Akteure unklar sind. Dadurch werden Chancen für eine nachhaltige berufliche Perspektive für die Geförderten vergeben.
Das Übergangsmanagement sollte systematisch von Beginn an mitgedacht und bearbeitet werden. Das beinhaltet zunächst die Klärung, welches Ziel die Integrationsfachkraft im Jobcenter, der § 16i-Beschäftigte und der Arbeitgeber mit der Beschäftigung verfolgen. Steht die soziale Teilhabe oder die nachhaltige Integration in Arbeit im Vordergrund, gibt es grundsätzlich eine Chance auf Übernahme in den Betrieb? Die Ziele und Erwartungen können sich während der Förderung verändern und sind in einem gemeinsamen Verständigungsprozess an die Entwicklung der geförderten Person anzupassen.
Entscheidend ist der Einsatz der Geförderten nach ihren Fähigkeiten und Entwicklungspotenzialen. Dies muss durch die Coaches und die Integrationsfachkräfte sichergestellt werden. Die Nähe des Coaches zum Betrieb ist an dieser Stelle von großer Bedeutung sowie regelmäßige Gespräche zwischen Coach, Betrieb, Integrationsfachkraft und geförderter Person.
Qualifizierungen und Praktika sind wichtige Bestandteile für die Erarbeitung einer Anschlussperspektive, ob beim selben Arbeitgeber oder bei einem anderen. Es reicht aber nicht, wenn der Coach über das Qualifizierungsbudget informiert. Die fachlich sowie didaktisch passende Qualifizierung muss herausgesucht und der/die Geförderte gezielt darauf vorbereitet werden. Dies muss in enger Absprache mit dem Arbeitgeber gestaltet werden.[10] Häufig wird eine Qualifizierung während der § 16i-Förderung nur im Zusammenhang mit der aktuellen Beschäftigung gesehen, was die Möglichkeiten für den Übergang in ungeförderte Beschäftigung erschwert. Qualifizierungsbedarfe und konkrete Optionen sind sehr individuell, was dazu führt, dass das Budget manchmal gar nicht genutzt wird/werden kann und in anderen Fällen nicht ausreicht.
Praktika bieten den geförderten Beschäftigten die Möglichkeit, sich unkompliziert und ohne Risiko in anderen Betrieben zu erproben. Das ist insbesondere für Geförderte relevant, die keine Übernahmechancen im eigenen Betrieb haben oder selbst einen Wechsel wünschen. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit kaum bzw. gar kein Gebrauch gemacht, „selbst wenn es von der Konzeption her ein sinnvolles Instrument zur Anbahnung von Brückeneffekten ist”, so der Abschlussbericht.[11] Ein Grund könnte die fehlende Klarheit sein, wer für die Initiierung, Vorbereitung und Begleitung der Geförderten dabei zuständig ist.
Die BAGFW fordert:
- Das Förderziel sowie die gegenseitigen Erwartungen und Verantwortlichkeiten zwischen allen beteiligten Akteuren sind von Beginn an zu klären und bei Bedarf im Verlaufe der Förderung anzupassen. Der Coach hat dabei eine Schlüsselrolle, weil er diesen Prozess moderiert und zusammenführt.
- Coach, Betrieb, Integrationsfachkraft und Geförderte*r sollten regelmäßig gemeinsame Gespräche führen, um sicherzustellen, dass die Geförderten gemäß ihren Fähigkeiten und Wünschen eingesetzt werden und ihre Entwicklungsmöglichkeiten realistisch beurteilt werden können.
- Die Verantwortung für die Nutzung des Qualifizierungsbudgets sollte beim Coach liegen und der Prozess in enger Absprache mit dem Arbeitgeber und dem Jobcenter gestaltet werden.
- Es muss klargestellt werden, dass auch solche Qualifizierungen gefördert werden, die nicht unmittelbar für die aktuelle Beschäftigung relevant sind, aber die Chancen auf einen Übergang in ungeförderte Beschäftigung steigern.
- Durch eine flexibilisierte Anwendung des Qualifizierungsbudgets sollte es ermöglicht werden, in begründeten Fällen höhere Kosten übernehmen zu können.
- In Fällen, in denen ein Praktikum in Betracht kommt, trägt der Coach die Verantwortung dafür, die Geförderten bei der Suche nach einer geeigneten Stelle und bei der Kontaktaufnahme zu begleiten und auf das Praktikum vorzubereiten.
[1] BMAS (2024): Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Umsetzung des Teilhabechancengesetzes auf Grundlage des Abschlussberichts zur Evaluation durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, S. 20.
[2] Achatz, Juliane, Frank Bauer, Jenny Bennett, Nadja Bömmel, Mustafa Coban, Martin Dietz, Kathrin Englert, Philipp Fuchs, Jan F. C. Gellermann, Claudia Globisch, Sebastian Hülle, Zein Kasrin, Peter Kupka, Anton Nivorozhkin, Christopher Osiander, Laura Pohlan, Markus Promberger, Miriam Raab, Philipp Ramos Lobato, Brigitte Schels, Maximilian Schiele, Mark Trappmann, Stefan Tübbicke, Claudia Wenzig, Joachim Wolff, Stefan Zins & Cordula Zabel (2024): Evaluation des Teilhabechancengesetzes - Abschlussbericht. (IAB-Forschungsbericht 04/2024), Nürnberg, S. 25.
[3] Pressemitteilung von BA, Städtetag und Landkreistag vom 25.06.2024
[4] Achatz/ Bauer/ Bennet et al. (2024), S. 24.
[5] Ebd. S. 124, 129, 254.
[6] Ebd. S. 126, 130-136.
[7] Ebd. S. 112, 255.
[8] Ebd., S. 133.
[9] Bauer, Frank/ Bendzulla, Christoph/ Fertig, Michael/ Fuchs, Phillip (2016): Ergebnisse der Evaluation der Modellprojekte öffentlich geförderte Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen, IAB-Forschungsbericht 7/2016.
[10] Achatz/ Bauer/ Bennet et al. (2024), S. 113.
[11] Ebd., S. 123