Stellungnahme der BAGFW zum Regierungsentwurf eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt (Beschäftigungschancengesetz) BT-Drs. 17/1945, BR-Drs. 225/10

Die Bundesregierung will mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf für bessere Beschäftigungschancen durch spezifische gesetzliche Regelungen zur Sicherung oder Erschließung von Beschäftigungsmöglichkeiten beitragen.

Die Bundesregierung will mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf für bessere Beschäftigungschancen durch spezifische gesetzliche Regelungen zur Sicherung oder Erschließung von Beschäftigungsmöglichkeiten beitragen. Neben der Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelungen enthält der Entwurf weitere arbeitsmarktpolitische Regelungen, die bis zum Abschluss der Überprüfung der Instrumente der Arbeitsförderung im Jahr 2011 vorerst verlängert werden sollen. Hintergrund seien die noch andauernden Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise, die manche Unternehmen erst in den nächsten Monaten träfen, weshalb nach wie vor eine Unterstützung geboten sei.

 

I.          Ausbildungsbonus (§ 421r Abs. 11 SGB III)

 

Gesetzesentwurf

 

Der bestehende Ausbildungsbonus fördert die zusätzliche Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für sog. Altbewerber mit niedrigen schulischen Qualifikationen bzw. Lernbeeinträchtigungen oder sozialen Benachteiligungen. Der Ausbildungsbonus kann darüber hinaus auch an Betriebe gezahlt werden, die zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche bereitstellen, die aufgrund einer Insolvenz ihres ausbildenden Betriebs daran gehindert sind, ihre Ausbildung abzuschließen. Nach dem Entwurf des Beschäftigungschancengesetzes soll der Ausbildungsbonus ab 2011 nur noch im Fall der Insolvenz gewährt werden können. Im Jahr 2009 wurden insgesamt rund 18.000 Ausbildungsplätze gefördert, davon nur rund 2.400 bei Insolvenzen. Mit dem Entwurf eines Beschäftigungschancengesetzes ist daher ein weitgehender Wegfall des Ausbildungsbonus zur Förderung von besonders förderungsbedürftigen Jugendlichen verbunden.

 

Bewertung

 

Nach Einschätzung der BAGFW hat der Ausbildungsbonus seit seiner Einführung positive Wirkung entfalten können, indem viele Jugendliche, die schon seit mindestens einem Jahr erfolglos auf Ausbildungsstellensuche sind und als förderungsbedürftig gelten, doch noch in eine Ausbildung integriert werden konnten. Die finanzielle Förderung ist nach Erfahrung der BAGFW zudem für die Ausbildungsmöglichkeiten von kleineren Arbeitgebern aus dem Bereich des Dienstleistungssektors und Handwerks ebenso wie für soziale Einrichtungen bedeutsam. Die positive Bewertung teilt auch der Bundesrechnungshof in seiner Mitteilung vom 22.09.2009. Darin wird die bisherige Praxis des Ausbildungsbonus insgesamt positiv bewertet und gewürdigt, dass das Förderinstrument geeignet sei, zusätzliche Ausbildungsstellen für Jugendliche mit schulischen und persönlichen Defiziten zu erschließen. Der Bundesrechnungshof konstatiert, dass es über den 31.12.2010 hinaus Bedarf für den Ausbildungsbonus geben könnte. Das ist mit Verweis auf den aktuellen Berufsbildungsbericht ausdrücklich zu bejahen. Der Berufsbildungsbericht 2010 zeigt die weiterhin bedrückend hohe Zahl an Altbewerberinnen und Altbewerbern auf. Im September 2009 lag der Anteil der Altbewerber/innen an den insgesamt gemeldeten Bewerber/innen bei 45,7%. Vor diesem Hintergrund wird der Ausbildungsbonus zur Förderung von jugendlichen Altbewerber/innen weiterhin dringend benötigt.

 

Forderung

 

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fordert, den Ausbildungsbonus im bisherigen Umfang fortzuführen und ihn nicht auf die kleine Zahl der Insolvenzfälle zu beschränken.

 

II.         Vollzeitmaßnahme der beruflichen Weiterbildung nach dem Alten- oder Krankenpflegegesetz (§ 421t Abs. 6 SGB III)

 

Gesetzesentwurf

 

Die Ausbildung zum Altenpfleger und zum Krankenpfleger dauert drei Jahre und kann über § 421t Abs. 6 SGB III für den gesamten Ausbildungszeitraum gefördert werden. Die nach § 85 Abs. 2 SBG III erforderliche Sicherstellung der Finanzierung des letzten Ausbildungsjahres durch Bund oder Länder entfällt. Durch diese Regelung wird die Finanzierung einer Umschulung zum/r Alten- bzw. Krankenpfleger/in sichergestellt. Eine Entfristung bzw. Verlängerung der bis Ende 2010 befristeten Regelung des § 421t Abs. 6 SGB III ist im Entwurf des Beschäftigungschancengesetzes nicht vorgesehen.

 

Bewertung

 

Die Zahl der älteren Menschen mit Pflegebedarf steigt und damit auch die Nachfrage nach Fachkräften in der Alten- und Krankenpflege. Zum 1.1.2009 wurde im Rahmen des Konjunkturpaktes II mit § 421t Abs. 6 SGB III die vollständige Finanzierung der dreijährigen Ausbildung bzw. Umschulung zum Alten- bzw. Krankenpfleger/in ermöglicht. Die Wirkung dieser Regelung lässt sich anhand folgender Zahlen nachvollziehen: Von ca. 11.000 Umschülern im Jahr 2006 ist die Zahl auf ca. 5.000 im Jahr 2008 gesunken. Für 2009 konnten ein Anstieg auf ca. 8.300 Umschüler registriert werden. Diese Zahlen verdeutlichen den hohen Stellenwert, den die Umschulungsmaßnahmen in der Altenpflege für die Sicherstellung des Fachkräftebedarfs in der Pflege haben. Dies belegen auch die zahlreichen Aktionsprogramme und Imagekampagnen, mit denen für die Ausbildung bzw. Umschulung zum Alten- bzw. Krankenpfleger/in geworben wird, so z. B. das Servicenetzwerk Altenpflegeausbildung des BMFSFJ. Viele Pflegeeinrichtungen nutzten das Förderinstrument, um gute Pflegehilfskräfte zu examinierten Fachkräften zu qualifizieren. Aufgrund der knappen personellen Ausstattung können die Pflegeeinrichtungen jedoch nicht so viele Hilfskräfte für die Umschulung freistellen, wie sie es sich wünschen würden, da sie die laufende Versorgung der Pflegebedürftigen abdecken müssen. Die Nachfrage nach der Förderung der berufsbegleitenden Umschulung/Ausbildung ist daher immer noch groß. Eine bundeseinheitliche Lösung ist auch für die Länder von großem Interesse, da andernfalls ein Ungleichgewicht in der Versorgung von alten und kranken Menschen droht (Stichwort Landarztdiskussion).

 

Wird diese Regelung aufgehoben, liegt die Finanzierung des 3. Ausbildungsjahres wieder in der Entscheidung des jeweiligen Bundeslandes. Vor dem Hintergrund der aktuellen defizitären Haushaltslagen in den Bundesländern ist zu befürchten, dass die Umschulungen im Bereich der Alten- und Krankenpflege einbrechen werden. Eine Rückkehr zur Förderpraxis vor 2009, als nur die ersten beiden Jahre der Umschulung finanziert wurden, würde den Trend zur Qualifizierung von Angelernten und Hilfskräften für den Altenpflegebereich forcieren (die BA qualifiziert an der "Praxis vorbei") und den Mangel an ausgebildeten Fachkräften nicht nachhaltig abfedern. Der bereits jetzt herrschende Mangel an ausgebildeten Fachkräften in diesem Bereich würde durch diesen Schritt unnötig verstärkt, was einen Rückschritt für die Sicherstellung der qualifizierten professionellen Pflege von pflegebedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren bedeutet.

 

Forderung

 

Auch in Zukunft muss die Finanzierung der Umschulung zur Alten- bzw. Krankenpflegefachkraft für die gesamte dreijährige Ausbildung sichergestellt sein.

 

Die BAGFW schließt sich inhaltlich der Empfehlung des AS-Ausschusses des Bundesrats an (BR-Drs. 225/1/10) und fordert eine Ergänzung des § 85 Abs. 2 SGB III um folgenden Satz:

 

„Abweichend davon ist die Dauer einer Vollzeitmaßnahme der beruflichen Weiterbildung auch dann angemessen, wenn sie nach dem Alten- oder Krankenpflegegesetz nicht um mindestens ein Drittel verkürzt werden kann.“

 

In der Konsequenz muss § 421t Abs. 6 SGB III gestrichen werden.

 

Sollte diese Lösung derzeit politisch nicht möglich sein, muss § 421 Abs. 6 SGB III im Sinne einer Übergangsregelung verlängert werden, bis eine dauerhafte Lösung für eine Regelfinanzierung gefunden ist.