Die Erbringung von sozialen Dienstleistungen in der EU ist sehr vielfältig. Insbesondere ist zu unterscheiden zwischen öffentlichen und privaten Anbietern. Außerdem ist bei den privaten Anbietern zwischen Akteuren mit Gewinnerzielungsabsicht einerseits und den gemeinnützigen bzw. dem Gemeinwohl verpflichteten Unternehmen andererseits zu unterscheiden.
Deutschland hat eine lange Tradition von gemeinnützigen Erbringern sozialer Dienstleistungen. Die sechs Verbände der Freien Wohlfahrtspflege (FW) sind die größten Anbieter gemeinnütziger Sozialdienstleistungen in Deutschland mit 1,4 Millionen Beschäftigten und über 3 Millionen Freiwilligen.
Die Unternehmen und Träger der FW können im Rahmen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts nur begrenzt Überschüsse erzielen, müssen diese in ihren sozialen Zweck reinvestieren und können nur begrenzt Rücklagen bilden. Sie sind bei der Wahl ihres Geschäftsfeldes und ihrer Mittelverwendung ausschließlich an die bestehenden gemeinnützigen Zwecke der Abgabenordnung gebunden. Dies unterscheidet sie maßgeblich von nicht-gemeinnützigen Erbringern von sozialen Dienstleistungen. Eine Gewinnausschüttung ebenso wie eine Begünstigung Dritter ist nach deutschem Gemeinnützigkeitsrecht nicht möglich. Deshalb brauchen die gemeinnützigen Unternehmen und Träger der FW u.a. maßgeschneiderte EU-Förderprogramme, die sie zum Beispiel bei der Umsetzung des „European Green Deals“, zur Digitalisierung ihrer Einrichtungen und Dienste oder bei der kurzfristig anfallenden Unterbringung und Inklusion von geflüchteten Menschen unterstützen. Als gemeinnützige Unternehmen und Träger können sie solche Investitionen nur bedingt aus ihren Rücklagen finanzieren und brauchen entsprechend niedrige Ko-Finanzierungssätze, kurze Erstattungsfristen oder Vorauszahlungen bei europäischen oder nationalen Förderprogrammen sowie eine unbürokratische Förderung.
Eine weitere Herausforderung für die FW stellt das EU-Beihilfenrecht dar. Viele Aktivitäten der FW fallen unter das EU-Beihilfenrecht und die für die Dienstleistungserbringung benötigten öffentlichen Gelder übersteigen schnell die Schwellenwerte der De-minimis Verordnung für Dienstleistungen von Allgemeinem Wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Als FW fordern wir deshalb eine Anhebung der Schwellenwerte auf 1,5 Mio. in drei Steuerjahren.
Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht enthält eine partielle Steuerbefreiung für gemeinnützige Organisationen und bestimmt über das Organisationsrecht maßgeblich die komplexen, rechtlichen Rahmenbedingungen eines gemeinnützigen Unternehmens. Die Standards der Überprüfung des Gemeinnützigkeitsrechts/ NPO-Rechts in den europäischen Ländern sind sehr unterschiedlich. Bei der Regelung grenzüberschreitender Aktivitäten von Vereinen müssen diese Besonderheiten Berücksichtigung finden. Für eine reibungslose Erfüllung der sozialen Aufgaben der gemeinnützigen Unternehmen und Träger bedarf es einer permanenten Anpassung des nationalen Rechtsrahmens an aktuelle Gegebenheiten. Notwendige Anpassungen können mit wettbewerbsrechtlichen Regelungen kollidieren. Wir fordern eine unionsrechtliche Sicherung des nationalen Gemeinnützigkeitsrechts sowie rechtssichere und klare Regelungen für notwendige Anpassungen.
Weiterhin stellt das EU-Vergaberecht die FW vor Herausforderungen. Die EU-Vergaberechtsrichtlinie gibt Behörden die Möglichkeit auch soziale und nachhaltige Kriterien bei der Auswahl zu berücksichtigen. In der Praxis entscheidet aber leider i.d.R. der Preis über den Zuschlag bei einem Vergabeverfahren. Die Verbände der FW fordern deshalb, dass bei einer Überarbeitung der EU-Vergaberechtsrichtlinie die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien verbindlich vorgeschrieben wird.
Schließlich unterstützt die BAGFW ausdrücklich die Empfehlungen der EWSA-Stellungnahme INT/906 „Stärkung der gemeinnützigen Sozialunternehmen als wesentliche Säule eines sozialen Europas“ vom 8.9.2020.