Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Prof. Dr. Schlüter, Mitglied der BAGFW im EWSA, begrüßt die Ankündigung der EU-Kommission eine sog. „Säule von sozialen Rechten“ einzuführen und bezeichnet dies als „überfällig“. Er fordert, dass europäische Werte in einer Welt der Verunsicherung und zunehmender Gewalt wieder sichtbarer werden müssen.

Prof. Dr. Bernd Schlüter begrüßt neue soziale Säule der EU-Politik
(European Pillar of social Rights)

Die Ankündigung der Kommission, die soziale Dimension Europas zu stärken, wird von Schlüter, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, als "überfällig" bezeichnet. Er fordert, dass europäische Werte in einer Welt der Verunsicherung und zunehmender Gewalt wieder sichtbarer werden müssen. Die Krise und die Krisenbewältigung sowie die antieuropäische Politik mancher Mitgliedstaaten hätten viele Bürger verunsichert. In manchen Mitgliedstaaten seien selbst fundamentale soziale Regeln und soziale Leistungen nicht vorhanden. Armut und Reichtum driften in Lichtgeschwindigkeit auseinander.

"Die EU ist nach dem zweiten Weltkrieg vor allem als Werte- und Friedensgemeinschaft gegründet worden. Die Wirtschaftsgemeinschaft war eher ein Mittel zu diesem Zweck. Die EU-Politik ist in den letzten Jahrzehnten von einem zu dominanten Begriff des freien Marktes ausgegangen. Die Erweiterungspolitik hatte teilweise eher geostrategische Gründe als dass gemeinsame Werte eine Rolle spielten. Soziale Marktwirtschaft und faire Märkte brauchen Rahmenregeln. Bei extremen Unterschieden in den Sozialsystemen kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen und Armutswanderungen sowie den bekannten Problemen in der Flüchtlingsverteilung. Die Krisenpolitik hatte keine soziale Dimension und hat die Ziele von Wachstum und sozialem Schutz wenig beachtet. Aus allen diesen Gründen hatte der EWSA 2015 gemeinsame Grundsätze für verlässliche und wirksame Sozialsysteme (SOC 520) vorgeschlagen.  Leistungsfähige Volkswirtschaften brauchten ein leistungsfähiges Sozialsystem.

In den europäischen Verträgen ist eine gemeinsame Sozial- und Gesundheitspolitik angelegt, aber sie ist bisher nicht mit Engagement vorangebracht worden. In manchen Mitgliedstaaten gibt es keine wirksame Existenzsicherung, keine Garantie von Wohnraum keine fundamentalen Hilfen für Flüchtlinge, keine aktive Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft. Teilweise gibt es keine Arbeitslosenunterstützung und keine aktive Arbeitsmarktpolitik. Überforderte und veraltete Sozialbehörden können nichts zur beruflichen Teilhabe der Menschen, zu einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Befähigung von Menschen beitragen. Moderne soziale Dienste, Rechtssicherheit und gut ausgebildete Mitarbeitende sind neben einem solidarischen Finanzierungssystem die Basis für jede wirksame Sozialpolitik. Auch für Deutschland ist es interessant, sich die Themen Solidarität der Sozialsysteme, Zugang zu ärztlichen Leistungen und die Abwehrhaltung mancher Sozialbehörden einmal näher anzusehen."   

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist ein beratendes Organ der EU mit Initiativrecht. Er umfasst u.a. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Wohlfahrtsverbände und Verbraucherschützer.

Prof. Dr. Bernd Schlüter ist ordentlicher Professor an der katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Rechtsanwalt für Sozialrecht und Sozialwirtschaft. Er war zuvor Vorstand des Diakonischen Werkes der EKD, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und der deutschen Krankenhausgesellschaft. Er ist Landessynodaler, Aufsichtsrat u.a. des Evangelischen Johannesstifts in Berlin und des evangelischen Kita-Verbandes. 

Verantwortlich: Prof. Dr. Bernd Schlüter, Bernzen Sonntag Rechtsanwälte, Lietzenburger Str. 51, 10789 Berlin Tel. 01723973663.