Stellungnahme der BAGFW zum Richtlinienentwurf der GEKO über die Anforderungen an die Qualifikation zur und die Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a, Nr. 3 des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GenDG)

Die Gendiagnostik-Kommission (GEKO) ist beauftragt nach § 23 Abs. 2 Nr. 2a, Nr. 3 des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GenDG), Richtlinien für die Anforderungen an die Qualifikationen zur genetischen Beratung nach § 7 Abs. 3 GenDG und für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung und der genetischen Beratung zu entwerfen.

Die Gendiagnostik-Kommission (GEKO) ist beauftragt nach § 23 Abs. 2 Nr. 2a, Nr. 3 des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GenDG), Richtlinien für die Anforderungen an die Qualifikationen zur genetischen Beratung nach § 7 Abs. 3 GenDG und für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung und der genetischen Beratung zu entwerfen.

 

Die BAGFW begrüßt und unterstützt grundsätzlich den vorliegenden Richtlinien-Entwurf. Der Entwurf enthält wichtige Punkte, die in Blick auf eine mögliche genetische Untersuchung die Situation ratsuchender Personen verbessert. Die Entscheidung zu einer genetischen Untersuchung und ihre Ergebnisse können für die Betroffenen physisch und psychisch sehr belastend sein. Die GEKO betont zu Recht die Bedeutung der genetischen Beratung und weiterer psychosozialer Beratungsangebote. Es ist aus der Sicht der BAGFW wichtig, dass gerade die psychosozialen Aspekte mehr als bisher von den beratenden Ärztinnen und Ärzten berücksichtigt werden. Die BAGFW begrüßt es, dass die GEKO die Anforderungen und Inhalte der genetischen Beratung sowie den Qualifikationsrahmen der Ärzte festlegt. Die befähigende und angemessene Ausbildung von Ärzten und Ärztinnen zur genetischen Beratung ist ein wichtiges Element, um „die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen … und eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften zu verhindern, um insbesondere die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren“ (§ 1 GenDG).

 

Allerdings ergibt sich aus Sicht der BAGFW in einigen Punkten noch Diskussions- und Klärungsbedarf. Die BAGFW hätte einen Richtlinienentwurf begrüßt, in dem neben der genetischen Beratung die Bedeutung der psychosozialen Beratung – auch mit Beratungsangeboten durch Fachpersonen aus der Behindertenhilfe – und von Selbsthilfeorganisationen  stärker hervorgehoben worden wäre. Die psychosoziale Beratung bietet eine zusätzliche Hilfe für die ratsuchende Person, in der die spezifische Situation des/der Betroffenen umfassend besprochen und reflektiert werden kann. Die BAGFW kann dem vorliegenden Richtlinien-Entwurf deshalb nur eingeschränkt zustimmen:

 

Richtlinienentwurf: IV.2. Genetische Beratung im Rahmen einer prädiktiven genetischen Untersuchung

 

Von einer ärztlichen Person muss eine genetische Beratung vor der genetischen prädiktiven Untersuchung und nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses angeboten werden. Der ratsuchenden Person ist eine angemessene Bedenkzeit bis zur Untersuchung einzuräumen.

 

Bewertung:

 

Die Bedenkzeit bis zur Untersuchung muss so gestaltet sein, dass die betroffene Person auch tatsächlich medizinunabhängige psychosoziale Dienste in Anspruch nehmen kann.

 

Lösungsvorschlag:

 

IV.2. Genetische Beratung im Rahmen einer prädiktiven genetischen Untersuchung, Abs. 2., sollte daher lauten:          

 

„Der ratsuchenden Person ist eine angemessene Bedenkzeit bis zur Untersuchung einzuräumen, in der sie von der Möglichkeit Gebrauch machen kann, zusätzlich auch medizinunabhängige psychosoziale Dienste in Anspruch zu nehmen.“.“

 

 

Richtlinienentwurf: IV.3. Genetische Beratung im Rahmen einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung

 

In IV.3. werden die formalen Richtlinien der genetischen Beratung im Rahmen einer vorgeburtlichen Untersuchung aufgestellt.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW weist darauf hin, dass bei Begriffen wie „Risikoabklärung“ oder „Risikoberechnung“ der Eindruck entsteht, dass Embryonen mit schweren genetischen Schädigungen als Risiko wahrgenommen werden. Gerade in Richtlinien zur genetischen Beratung einer vorgeburtlich genetischen Untersuchung muss der im Alltagssprachgebrauch negativ besetzte Risikobegriff möglichst vermieden werden.

 

 

Ferner heißt es in IV., 3. Satz 3, „dass eine genetische Beratung vor und nach vorgeburtlicher genetischer Untersuchung erfolgen muss“. In Hinblick auf IV.2. sollte deutlich herausgestellt werden, dass die genetische Beratung lediglich ein Angebot ist.

 

Im letzten Satz ist das Wort „gegebenenfalls“ zu streichen. (Formulierungsvorschlag s.u. analog zu 2a SchKG).

 

Lösungsvorschlag:

 

IV.3. Genetische Beratung im Rahmen einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung, Satz 2 sollte daher lauten:

 

„Zudem zählt auch die vorgeburtliche Untersuchung, in der die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von gesundheitlichen Störungen des Fetus ermittelt wird (insbesondere Serum- und gezielte Ultraschalluntersuchungen), zu den vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen.“

 

IV.3. Genetische Beratung im Rahmen einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung, Satz 3 sollte daher lauten:

 

„Es muss, die bei der prädiktiven genetischen Untersuchung, eine genetische Beratung (§ 10 Abs. 2. GenDG) vor und nach vorgeburtlicher genetischer Untersuchung angeboten werden.“

 

IV.3. Genetische Beratung im Rahmen einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung, letzter Satz sollte daher lauten:

 

„In Einvernehmen mit den Betroffenen ist der Kontakt zu einer Beratungsstelle nach 3 SchKG zu vermitteln.“

 

Richtlinienentwurf: V. Inhalte der genetischen Beratung

 

Unter Punkt V. werden grundlegende Inhalte der genetischen Beratung dargestellt.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die unter Punkt V. verankerten umfassenden und vielseitigen Regelungen zu den Inhalten der genetischen Beratung.

 

Allerdings vertritt sie die Ansicht, dass in V. Abs. 2. Satz 1 die Bedeutung der angeführten Punkte durch die Sollbestimmung nicht ausreichend gewürdigt werden.

 

 

Die BAGFW begrüßt die in V. getroffenen Regelungen, findet aber nicht ausreichend, dass „der ratsuchenden Person bei psychischen und physischen Belastungen Möglichkeiten zur Unterstützung angeboten werden“ sollen. Hier ist es aufgrund der besonderen Situation des Ratsuchenden sinnvoll, auf die konkrete Möglichkeit der psychosozialen Beratung hinzuweisen. Von dort aus kann die Person gegebenenfalls an weitere Fachkräfte vermittelt werden.

 

Die Inanspruchnahme von derartigen Beratungsdiensten muss innerhalb der Bedenkzeit möglich sein. Daher muss im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, dass der Arzt den Kontakt zu Beratungspersonen vermittelt und unterstützt.

 

Neben Selbsthilfeorganisationen bieten auch Behindertenfachverbände zu relevanten Fragestellungen Unterstützungsmöglichkeiten.

 

Lösungsvorschlag:

 

V. Inhalte der genetischen Beratung Abs. 2. Satz 1 sollte daher lauten:

 

            „Sie muss allgemein verständlich und ergebnisoffen erfolgen…“

 

V. Inhalte der genetischen Beratung Abs. 2. Satz 5f. sollten daher lauten:

 

Bei ratsuchenden Personen mit psychischen und physischen Belastungen ist auf die Beratungs- und Kontaktmöglichkeiten mit psychosozialen Beratungsdiensten hinzuweisen. Falls gewünscht, ist der Kontakt zu einem solchen Beratungsdienst zu vermitteln. Gegebenenfalls soll auf für die Fragestellung relevante Selbsthilfeorganisationen und Behindertenfachverbände hingewiesen werden und – sofern möglich und vom Patienten gewünscht – Kontakte vermittelt werden.“

 

Richtlinienentwurf: VI.2. Genetische Beratung im Rahmen einer prädiktiven genetischen Untersuchung

 

In VI.2. werden die speziellen Beratungsinhalte vor einer genetischen Untersuchung genannt.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt grundsätzlich die in VI.2. getroffenen Regelungen.

Allerdings hält sie neben den Psychologen oder Psychotherapeuten auch die Unterstützungsangebote von psychosozialen Beratungsdiensten, Selbsthilfegruppen, Behindertenfachverbänden und seelsorgerlicher Beratung für relevant (VI.2.).

 

 

Lösungsvorschlag:

 

VI.2. Genetische Beratung im Rahmen einer prädiktiven genetischen Untersuchung sollte daher lauten:

 

„Vor und nach prädiktiven genetischen Untersuchungen können bei Bedarf Unterstützungsangebote z.B. durch Psychologen, Psychotherapeuten, psychosoziale Beratungsstellen und seelsorgerlicher Beratung angeboten bzw. vermittelt werden.“

 

Richtlinienentwurf: VI.3. Inhalte der genetischen Beratung im Rahmen einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung (§ 15 GenDG) sowie vorgeburtlicher Risikoabklärung (§ 3 Nr. 3 GenDG)

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt grundsätzlich die in VI.3. getroffenen Regelungen.

Allerdings besteht die Gefahr, dass mit dem Begriff „Basisrisiko“ der Eindruck erweckt wird, dass der Embryo lediglich Risikoträger ist und dass dieses bei der Schwangeren und deren Angehörigen unnötige Ängste hervorruft.

 

Lösungsvorschlag:

 

VI.3. Genetische Beratung im Rahmen einer prädiktiven genetischen Untersuchung Abs. 1. sollte daher lauten:

 

„Bei genetischen Beratungen im Rahmen der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung und der vorgeburtlichen Gesundheitsprognose muss insbesondere auf die für alle Schwangerschaften geltende schwerwiegende Herausforderung im Falle von gesundheitlichen Störungen beim Neugeborenen hingewiesen werden.“

 

Ergänzung: Die Schwangere / Klientin ist auf ihren Anspruch nach 2 SchKG hinzuweisen. Im Einvernehmen mit ihr ist der Kontakt zu einer Beratungsstelle nach 3 SchKG zu vermitteln.

 

Richtlinienentwurf: VI. 3.2. Beratung nach erfolgter vorgeburtlicher genetischer Untersuchung

 

Bewertung:

 

Problematisch ist, dass nicht davon auszugehen ist, dass Ärzte über die regionalen Beratungsangebote umfassend informiert sind.

 

Lösung:

 

VI. 3.2. Beratung nach erfolgter vorgeburtlicher genetischer Untersuchung Abs. 1. sollte daher um einen Satz 5 ergänzt werden:

 

Es ist notwendig, dass die Ärzte den Aufbau und die Pflege eines Kooperationsnetzes mit psychosozialen Beratungsstellen als sinnvolle Aufgabe sehen.

 

Richtlinienentwurf: VII.4. Qualifikationsinhalte fachgebundener genetischer Beratung im Kontext der vorgeburtlichen Risikoabklärung gemäß § 3 Nr. 3 GenDG

 

Die Qualifikationsmaßnahme, welche 8 FB-Einheiten neben den praktischen Übungen nicht unterschreiten darf, ist unter Beteiligung einer Fachärztin oder eines Facharztes für Humangenetik oder einer Ärztin bzw. eines Arztes mit Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik durchzuführen.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt grundsätzlich den Qualifikationsinhalt für die fachgebundene genetische Beratung im Kontext der vorgeburtlichen Gesundheitsprognosen. Allerdings hält sie die Untergrenze von 8 FB-Einheiten für die Qualifizierungsmaßnahmen für unzureichend. Dies ist auch dann der Fall, wenn Ärztinnen bzw. Ärzte bereits vor diesen speziellen Qualifikationsmaßnahmen eine Kenntnis von den in VII.4. dargestellten Qualifikationsinhalten besitzen.

 

Lösung:

 

VII.4. Qualifikationsinhalte fachgebundener genetischer Beratung im Kontext der vorgeburtlichen Risikoabklärung gemäß § 3 Nr. 3 GenDG Abs. 6. Satz 1 sollte daher lauten:

 

„Die Qualifikationsmaßnahme, welche 16 FB-Einheiten neben den praktischen Übungen nicht unterschreiten darf, ist unter Beteiligung einer Fachärztin oder eines Facharztes für Humangenetik oder einer Ärztin bzw. eine Arztes mit Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik durchzuführen,…“

 

Ergänzung zu VII.4.2.a) Beratungsziel, Spiegelstrich 3, „Aufzeigen weiterer Beratungsmöglichkeiten“:

 

-       Aufzeigen weiterer medizinunabhängiger psychosozialer Beratungsmöglichkeiten sowie im Einvernehmen mit den Betroffenen Vermittlung des Kontaktes zu einer solchen Beratungsstelle.