Sozialraum Digital - Souveränität in der digitalen Welt
15. Juni 2018 in Berlin
Workshop:
Smart Homecare - Selbstbestimmung oder Überforderung?
Beteiligte Inputgeber/ Moderation
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Ergebnisse
Der bvitg e. V. vertritt in Deutschland die führenden IT-Anbieter im Gesundheitswesen, deren Produkte in bis zu 90 Prozent des ambulanten und stationären Sektors inklusive Reha-, Pflege- und Sozialeinrichtungen eingesetzt werden. Im Rahmen der Fachtagung „Sozialraum Digital“ bot die Arbeitsgruppe Digitalisierung in der Pflege (AG DiP) des bvitg einen Workshop zum Thema „Smart Homecare – Selbstbestimmung oder Überforderung?“ an. Dieser wurde von den beiden AG-Leitern Heiko Mania und Andreas von Schell geleitet sowie von Jessica Birkmann moderiert.
Heiko Mania ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter der NursIT Institute GmbH in Berlin. Er ist ausgebildeter examinierter Krankenpfleger und hat mehr als 20 Jahre Erfahrung im Krankenhaus, in der Pflege, dem Pflegemanagement und der Pflegeinformatik. Vor seinem Wechsel in die Industrie absolvierte Heiko Mania zwei Masterstudiengänge.
Andreas von Schell ist seit 2010 für die Opta Data Gruppe in der Projektentwicklung tätig. Er hat Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiatrie studiert und beschäftigt sich seit Anfang der 90-ger Jahre mit der ambulanten Pflege, darunter sektorübergreifenden Versorgungskonzepten immer in Verbindung mit digitalen Prozessen und Stadtteilentwicklung im Zusammenhang mit Empowerment-Strategien.
Jessica Birkmann ist Referentin Politik im bvitg e. V. und betreut dort die Arbeitsgruppen Politik, KIS/Klinische IT, Medizinprodukte, Qualitätssicherung und Digitalisierung in der Pflege.
Was ist die Fragestellung des jeweiligen Workshops?
Der Workshop zielte auf die Auseinandersetzung mit folgenden Fragen ab:
- Was meint Smart Homecare und welche Möglichkeiten oder Hindernisse ergeben sich durch Technikeinsatz in der Pflege?
- Was bedeutet Patienten-Empowerment für Pflege(fach)kräfte, pflegende Angehörige oder Pflegebedürftige?
- Wie lässt sich Technik effektiv in die Versorgungslandschaft einbeziehen – ohne hierbei sozialen Kontakt zu ersetzen?
Der Workshop wurde unterteilt in zwei Thementische, die sich jeweils mit den Einzelfragen „Smart Homecare – Chance oder Risiko?“ und „Patienten Empowerment – Potenziale oder Blockade?“ beschäftigten. Ziel war es, alle Akteure/innen „an einen Tisch zu bekommen" und sich konkrete sowie schnell umsetzbare Maßnahmen zu überlegen.
Was sind die Ergebnisse?
Die Workshopteilnehmer/innen waren sich einig, dass Smart Homecare deutlich zur Erhöhung der Lebensqualität beitragen könne, solange verschiedene Voraussetzungen gegeben seien:
- Der Nutzen einer Anwendung muss klar erkennbar sein. Smarte Installationen sind kein Selbstzweck, sondern sollen im Alltag nachweislich unterstützen.
- Zudem ist zur sinnstiftenden digitalen Vernetzung eine Strategie notwendig. So lassen sich Anschaffungen vermeiden, die nicht mit dem Gesamtkonzept kompatibel sind.
- Wichtige Voraussetzung ist hier auch die Beschaffenheit der Technik. Lässt sich das Produkt mit weiteren Installationen verbinden?
- Diskutiert wurde auch, wie Informationen zum Produkt im Idealfall an (potenzielle) Empfänger (Pflegebedürftige, Pflegekraft, Angehörige) gelangen können. Hier können beispielsweise Pflegedienste als mögliche Ansprechpersonen dienen. Eine gute Möglichkeit für die Präsentation von smarten Lösungen ist zum Beispiel die Einrichtung von Musterwohnungen.
- Ganz wichtig ist außerdem die Beschaffenheit der Technik. Diese muss intuitiv bedienbar sein und die Vernetzung verschiedener Produkte sicherstellen.
Patienten-Empowerment erlangt unter den Gesichtspunkten, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Lebensqualität in Verbindung mit fehlenden Fachpersonalressourcen immer mehr an Bedeutung. Dabei ist der Einsatz digitaler Techniken unter Einbeziehung einer Sozialraumteilhabe, ein wesentlicher Faktor um eine Empowermententwicklung zu fördern.
Für ein derartiges digital begleitende „Patienten Empowerment“ sei Voraussetzung, dass der Patient seine Optionen kennt und frei über seine Daten verfügen kann. Diskutiert wurden an dieser Stelle auch Konzepte wie der „gläserne Patient“, welcher zum Wohle seiner Gesundheit die Privatheit seiner Daten aufgibt. Einig war man sich darüber, dass dringend Anreize geschaffen werden müssten, um mehr Gesundheitsdaten zu spenden.
In jeder Workshop-Runde kamen die einzelnen Gruppen im Laufe der Diskussion zu der Frage, wie denn der Begriff „Pflege“ auszulegen sei. Bezieht er sich nur auf die Altenpflege oder Krankenpflege? Deckt der Begriff in Bezug auf Patienten-Empowerment nur die kurative oder auch palliative bis hin zur präventiven Pflege ab?
Die Teilnehmer/innen stellten fest, dass die Verfügbarkeit von Technik alleine nicht ausreichend ist. Bei der Anwendung von digitalen Lösungen müssten immer die Komponenten Aufklärung, Beratung und Begleitung unter Einbeziehung der Sozialräume enthalten sein. Dies sei primär keine zivilgesellschaftliche, sondern eine Aufgabe der Sozialleistungsträger und Kommunen. Hierzu müssen Struktur, Zuständigkeiten sowie die Finanzierung geklärt werden.
Anbieter müssen vor allem auf individuelle anstelle von Standartlösungen setzen. Auch hier seien die Finanzierungsoptionen zu klären. Als Einstieg sind darauf ausgerichtete Förderprogramme zu entwicklen.
Was folgt aus den Ergebnissen/ welche Empfehlungen gibt es?
Insgesamt bedarf es eines Kulturwandels beim Thema „Smart Homecare“ und der Digitalisierung in der Pflege im Allgemeinen mit folgenden Empfehlungen.
- Mehr Pilotprojekte fördern
- Den Austausch von Best Practices ermöglichen
- Hierarchien abbauen
- Den Mut zu Innovationen belohnen, gleichzeitig auch Fehlschläge tolerieren (z.B. bei Förderanträgen)