Stellungnahme zum Entwurf der FDP-Fraktion eines Gesetzes zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung

Der im September vorgelegte Referentenentwurf des BMJ hat trotz klarer Rückmeldungen aus der Praxis keine weiterführenden Verbesserungen gebracht. Auch im Entwurf der FDP sind keine notwendigen Weichenstellungen zu erkennen.

Stellungnahme der

Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zum Entwurf der FDP-Fraktion eines Gesetzes zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern (BT Dr. 20/14259)

Zu dem am 19.12.2024 dem Rechtsausschuss zugeleitetem Entwurf der FDP-Fraktion für ein Gesetz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern nehmen wir als Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) wie folgt Stellung: 

Als BAGFW vertreten wir die Belange der in den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege organisierten Betreuungsvereine. Diese rund 600 Betreuungsvereine nehmen seit vielen Jahren mit hohem Engagement und hohem fachlichen Niveau komplizierte Betreuungsmandate wahr und unterstützen im Rahmen ihrer Querschnittsarbeit ehrenamtliche Betreuer. Diese Arbeit ist nun aber durch die Entwicklung der Betreuervergütung gefährdet. Die durch die systematisch unzureichende Vergütung der Betreuungsarbeit entstandenen langjährigen strukturellen Defizite und der von dieser Vergütung ebenfalls verursachte Nachwuchsmangel haben bereits Betreuungsvereine zum Aufgeben veranlasst. Es ist absehbar, dass dies erst der Anfang einer dramatischen Entwicklung ist, die die Infrastruktur der zivilgesellschaftlich verankerten Betreuungsarbeit bedroht. 

Der im September vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz hat trotz klarer Rückmeldungen aus der Praxis keine weiterführenden Verbesserungen gebracht. Auch im nunmehr vorgelegten Entwurf der FDP vermag die BAGFW keine der notwendigen Weichenstellungen zu erkennen. 

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die mit dem Entwurf verbundene Absicht, auch über das ursprünglich vorgesehene Fristenende eine Verbesserung der Vergütung über 2025 hinaus sicherzustellen. Insofern begrüßen wir die Anpassungen einzelner Positionen in der Vergütungstabelle. Mit diesen Anpassungen trägt der Entwurf der tatsächlichen Inanspruchnahme der Betreuungsvereine und dem sich daraus ergebenden Fallmix besser Rechnung. Demgegenüber hätten der Referentenentwurf des BMJ vom 16.09.2024 und die ihm zugrunde liegenden Annahmen für ca. 23% unserer Betreuungsvereine Mindereinahmen bedeutet. 

Gleichwohl ist auch der vorliegende Entwurf mit den nun vorgesehenen Verbesserungen weit entfernt von einer nachhaltig tragfähigen Vergütung im Betreuungswesen. Es besteht immer noch grundlegender Reformbedarf, den die Bundesregierung und der Bundestag der 21. Legislaturperiode angehen und den die Bundesländer im Bundesrat mittragen müssen. Ohne eine solch langfristig tragfähige Finanzierungsregelung wird es keine nachhaltige Basis für die in der Zivilgesellschaft verankerte Betreuungslandschaft geben. 

Denn die §§ 3 und 8 VBVG-E bessern zwar die Pauschalen nach. Sie berücksichtigen aber nicht den Mehraufwand in der Betreuungsführung, der durch die Umsetzung der Betreuungsrechtsreform gesetzlich geforderte und verankerte Beteiligung der Betreuten entstanden ist. Der betreuungsrechtliche Paradigmenwechsel hin zur unterstützten Entscheidungsfindung setzt voraus, dass die Betreuer*innen bei jeder zu treffenden Entscheidung die Wünsche ihrer Klient*innen ermitteln, beachten und soweit erforderlich mit dem Schutzauftrag des Staates ausbalancieren. Insofern genügt es zur Umsetzung des Artikel 12 UN BRK nicht, allein im materiellen Betreuungsrecht Ansprüche an das Betreuerhandeln zu formulieren. Bund und Länder müssen auch Rahmenbedingungen schaffen, die die Umsetzung dieser Ansprüche in der praktischen Arbeit ermöglichen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört auch das Vergütungssystem, das den höheren Zeitaufwand für die einzelnen Mandate angemessen honoriert. 

Dieser Notwendigkeit trägt der vorgelegte Entwurf nicht angemessen Rechnung. Vielmehr bleibt die strukturelle Unterfinanzierung der Betreuungsvereine auch mit dem vorgelegten Entwurf bestehen. Vor diesem Hintergrund möchten wir mit Nachdruck auf die folgenden zentralen Forderungen hinweisen: 

  1. Angleichen der Finanzierungsgrundlage an die tatsächlichen Kosten der Betreuungsvereine

Die Vergütung der Betreuungsvereine muss auf Grundlage realistischer und aktueller Kostenberechnungen erfolgen. Ein solches Beispiel sind das von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) erstellte Berechnungsmodell für die Arbeitsplatzkosten dar. Dieses orientiert sich an den Werten des TVöD - Sozial- und Erziehungsdienst und seiner Entgeltgruppe S12. Diese ist grundsätzlich vergleichbar mit den in Betreuungsvereinen üblicherweise gezahlten Löhnen nach TVöD SuE, Entgeltgruppe S12, Stufe 4. Ebenso wie in der öffentlichen Verwaltung fallen in den Betreuungsvereinen Sachkosten und Verwaltungsgemeinkosten an, die in der Berechnung einer kostendeckenden Vergütung daher auch Berücksichtigung finden müssen. 

Nach den aktuellen KGSt-Werten 2024 betragen die Kosten eines Arbeitsplatzes in der genannten Vergütungsgruppe 112.420,00 €. Demgegenüber veranschlagt der Entwurf lediglich 93.109,09 €. Dieser Betrag weist eine Abweichung von 20,75 % von dem plausibel berechneten KGSt-Modell auf. Ebenso lässt der im Gesetzentwurf zugrunde gelegte Ansatz für 2025 anstehende und absehbare Tarifsteigerungen unberücksichtigt. Die im Entwurf vorgesehene Vergütungssteigerung von durchschnittlich 12,7 % ist erkennbar unzureichend, um bestehende und absehbare Kosten zu decken. Vielmehr besteht jetzt bereits eine Finanzierungslücke von 8,05 %. Die vorgeschlagene Erhöhung deckt damit nicht einmal das bestehende Finanzierungsdefizit ab. Zudem stehen die nächsten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst an, deren Ergebnisse in die Tarifverträge der Wohlfahrtsverbände übernommen werden. Das bestehende strukturelle Defizit in der Vergütung der Rechtlichen Betreuung wird damit noch vor Inkrafttreten des Gesetzes vergrößert. 

Die BAGFW fordert deshalb, dass der Gesetzentwurf die künftige Betreuervergütung an einer kostendeckenden Berechnungsgrundlage ausrichtet und diese kontinuierlich anpasst. Modell hierfür sind die aktuellen KGSt-Werte. Nur so lässt sich Arbeitsfähigkeit der Betreuungsvereine sicherstellen und sowohl ihre Existenz als auch der fachliche Nachwuchs langfristig sichern.

  1. Fehlende Dynamisierung 

Die BAGFW hat bereits 2019 und erneut im Zusammenhang mit dem Referentenentwurf des BMJ vom 16.9.2024 unterstrichen, dass eine Dynamisierung der Betreuervergütung unabdingbar ist. Nur sie stellt die bedarfsgerechte Refinanzierung der den Betreuungsvereinen entstehenden Personal- und Sachkosten sicher. Die der BAGFW angeschlossenen Betreuungsvereine vergüten ihre Mitarbeitenden tarifgebunden. Eine Dynamisierung der VBVG-Vergütung in Anlehnung an die Entwicklung des TVöD würde die Länder auch nicht übermäßig belasten, sondern entspräche dem, was zu leisten wäre, wenn Betreuungsbehörden Amtsbetreuung zu leisten hätten. 

Die Ablehnung einer Dynamisierung ist vor diesem Hintergrund ein Systembruch. Indem sich das VBVG an der dynamischen Vergütung des TVöD anlehnt, muss es auch deren regelmäßige Aktualisierung im Wege von Tarifverhandlungen akzeptieren. 

Die verweigerte Dynamisierung vergrößert kontinuierlich und mit jeder nicht mitvollzogenen Tarifsteigerung das Defizit der Betreuungsvereine. Denn zusammen mit der Differenz zwischen der aktuellen und von den Betreuungsvereinen zu leistenden Vergütung und der Refinanzierung wächst auch die strukturelle Unterfinanzierung jährlich weiter. Die tragfähige Zukunftsfähigkeit der Betreuungsvereine ist weiterhin gefährdet. 

Die BAGFW fordert deshalb eine gesetzlich verankerte Dynamisierung der Vergütung nach dem VBVG und deren Ausrichtung an den jährlich angepassten KGSt-Werten. Nur so lässt sich ein zukunftsfähiges Vergütungssystem gestalten.

 

Streichen der Evaluationsfrist von zwei Jahren

Im vorliegenden Gesetzentwurf fehlt die noch im Referentenentwurf enthaltene Überprüfungsfrist von zwei Jahren. Diese Streichung halten wir für eine Fehlentscheidung. 

Der Gesetzentwurf führt eine grundsätzlich veränderte Vergütungssystematik ein. In diese sind Rückmeldungen aus verschiedenen Perspektiven der Praxis eingeflossen; andere Perspektiven sind hingegen zurückgestellt worden. Es ist wichtig zu überprüfen, ob sich die Annahmen des Gesetzgebers bestätigt haben oder ob es Korrekturbedarf gibt. Eine verbindlich vorgesehene, zeitnahe Evaluierung stellt sicher, dass Fehlentwicklungen erfasst und korrigiert werden können. Gesetzliche Fehleinschätzungen bei der Vergütungsbemessung gehen nicht nur zu Lasten der zivilgesellschaftlichen Infrastruktur, die zurzeit unter besonderem Druck steht und gesetzgeberische Fehleinschätzungen nicht mehr auffangen kann. Sie trifft diejenigen, die auf die professionelle Unterstützung durch das Unterstützungsinstrument der Rechtlichen Betreuung dringend angewiesen sind. 

Rechtliche Betreuung ist eine Unterstützungsleistung, die Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen hilft, ihre Angelegenheiten mit Hilfe, der für sie bestellten Betreuer*in sicher und in ihrem eigenen Sinn zu regeln. Um die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen, ist eine verlässliche und existenzsichernde Finanzierung der Rechtlichen Betreuung absolut entscheidend. Aktuell droht ein massiver Abbau im gesamten System der rechtlichen Betreuung. Betreuungsvereine, Betreuungsbüros und Berufsbetreuer:innen geben auf. Das kann nur gestoppt werden, wenn die Vergütung zeitnah spürbar verbessert wird!

Die BAGFW fordert, die Verpflichtung zur Evaluation des Gesetzes im VBVG zu verankern. Nur so lässt sich, eine zeitnahe und praxisnahe Überprüfung der neuen Vergütungssystematik sicherstellen.

 

 

Berlin, 24.01.2025

 

Bundesarbeitsgemeinschaft

der Freien Wohlfahrtspflege e. V.

 

Evelin Schneyer

Geschäftsführerin

 

 

Kontakt:

Dr. Friederike Mussgnug (friederike.mussgnug(at)diakonie.de)