Personal- und Organisationsentwicklung in der stationären Pflege - Vielfalt statt “one size fits all” 

Mit der Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM) wurde erstmals bestätigt, dass zur Erbringung einer fachgerechten Pflege mehr Personal in den Einrichtungen benötigt wird. 

Klar wurde jedoch auch, dass es dabei nicht um ein einfaches Mehr im gleichen System gehen kann, sondern dass die Strukturen, Abläufe und Rollen in der Pflege zu betrachten sind. Die gesetzliche Normierung in § 113c SGB XI war damit der Anfang und Anstoß eines umfassenden Personal- und Organisationsentwicklungsprozesses.

Der nun anstehende Personal- und Organisationsentwicklungsprozess sollte nicht als etwas „Zusätzliches“ verstanden werden, dass es neben vielem anderen zu erledigen gilt. Vielmehr stellt dieser eine Chance dar, dass „ viele andere“ zu strukturieren und aufeinander abgestimmt anzugehen. Gemeint sind hier beispielsweise Prozesse wie die Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben in der Pflege oder des Pflegeverständnisses nach dem geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff.

Als Wohlfahrtsverbände behalten wirstets die uns anvertrautenMenschen als auch unsere Mitarbeitenden im Blick. Die Veränderung von Prozessen mit dem Ziel der Effizienzsteigerung darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss immer in den Dienst der von dieser Veränderung betroffenen Menschen gestellt werden und auf die Verbesserung für Pflegende und pflegebedürftige Menschen abzielen.

Mit dieser Internetseite wollen wir sukzessive verschiedene Projekte aus den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege vorstellen, die auf ihre eigene und für sie passende Art und Weise den Personal- und Organisationsentwicklungsprozess angegangen sind. Es handelt sich um Projekte, die mit innovativen Ansätzen und durch erprobte Praktiken eine Vielfalt an Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigen. 

Lassen Sie sich inspirieren und finden Sie den Ansatz, der zu Ihrer Einrichtung passt. 

Sie wollen ihr Projekt vorstellen? Das Einreichungsformular für Projekte finden Sie hier.


 

Projekte und Materialien

Es ist unsere Pflege! - 

Maßnahmen der wertegeleiteten
Personal- und Organisationsent-wicklung 


zum Projekt


Hintergrund

 

Projekt zur Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM)


Im Rahmen der Studie (2017-2020) wurde ein wissenschaftlich fundiertes Personalbemessungsverfahren für die vollstationäre Pflege entwickelt. Ziel war es eine bedarfsgerechte Personalplanung zu ermitteln, die Pflegequalität und Arbeitsbedingungen verbessert. Die Studie berücksichtigte Pflegebedarf, Arbeitsbelastung und verfügbare Zeit, um objektivie Kriterien für die Personalbemessung zu schaffen. 40 Prozent des in der Studie ermittelenten Personalbedarfes wurden bezogen auf drei Qualitätsniveaus im Jahre 2021 in § 113c Abs. 1 SGB XI gesetzlich normiert.

 


 

Roadmap zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege und zur schrittweisen Einführung eines Personalbemessungsverfahrens für vollstationäre Pflegeeinrichtungen 

Die Roadmap wurde 2021 durch das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlicht. Die Roadmap bildet die Umsetzungsschritte des Personalbemessungsverfahrens ab und sollte allen Akteur:innen Planungs- und Handlungssicherheit geben. Sie endet aktuell mit der Prüfung weiterer Personalausbaustufen in Abhängigkeit von den Ergebnissen der begleitenden Evaluation und der Lage am Arbeits- und Ausbildungsmarkt. 

 


 

Erste Hinweise zur Umsetzung einer qualifikations- und kompetenzorientierte Arbeitsorganisation in der vollstationären Langzeitpflege 


Das Konzept wurde im Rahmen des Modellprojektes beim GKV-Spitzenverband gemäß § 8 Abs. 3b SGB XI (Laufzeit: 2022-2025) entwickelt und 2023 nach mehrfacher Überarbeitung aufgrund zahlreicher Kritik aus den Verbänden veröffentlicht. Hauptkritik war der im Kern angelegte Verrichtungsbezug des Konzeptes, der unter anderen aus Sicht der Wohlfahrtsverbände aus der Nutzung des sogenannten Interventionskataloges für die Personaleinsatzplanung resultiert und das Bezugspflegesystem gefährdet.  

Das (Vorbereitungs-)Konzept stellt selbst keine Maßnahme der Organisations- und Personalentwicklung im Sinne des Modellprojekts oder des Gesetzes dar, da es selbst noch nicht erprobt und evaluiert wurde. Die Nutzung des Konzeptes für die Personal- und Organisationsentwicklung durch vollstationäre Pflegeeinrichtungen ist insoweit freiwillig. Auch wird ausgeführt, dass sich das Konzept nicht eignet für die Durchführung ordnungsrechtlicher Maßnahmen oder als Grundlage für Qualitäts- oder Abrechnungsprüfungen.

 



Zielwerte für eine bundeseinheitliche, mindestens zu vereinbarende personelle Ausstattung für vollstationäre Pflegeeinrichtungen nach § 113c Absatz 8 SGB XI 


Die definierten Zielwerte dienen als Richtschnur für eine perspektivisch bundeseinheitliche Umsetzung im Sinne einer einheitlichen Untergrenze. Das Bundesministerium für Gesundheit betont in den Ergänzenden Erläuterungen die Unverbindlichkeit der Werte – weder eine Unterschreitung und vor allem nicht eine Überschreitung führe zu Nachteilen für die Einrichtungen. Die Zielwerte stellen ein Monitoring-Instrument dar, welches unter anderem für die anstehende Überprüfung weiterer Personalausbaustufen dienen wird. Die Zielwerte selbst sollen wieder am Ende 2025 und dann alle zwei Jahre überprüft werden. 

 


Mit Mythen aufräumen

Das Personalbemessungsinstrument lässt sich nur durch eine stationäre Tourenplanung umsetzen.
Wie die Projekte auf dieser Seite verdeutlichen, gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Personalbemessungsinstrument einzuführen. Die Umsetzung über eine stationäre Tourenplanung kann ggf. eine davon sein. Tatsächlich kann die stationäre Tourenplanung aber auch nachteilig wirken, da sie oft wenig flexibel ist, sich stark auf Verrichtungen fokussiert und damit ggf. weg führt von einer person-zentrierten Pflege, die die individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der Bewohner*innen in den Mittelpunkt stellt. 

Durch die Einführung des Personalbemessungsverfahrens haben wir am Ende weniger Fachpersonal.
Richtig ist, dass die starr gesetzten Fachkraftquoten perspektivisch keinen Bestand mehr haben können, da der ermittelte Qualifikationsmix in diesem Korsett nicht umsetzbar ist. Die Notwendigkeit eines Fachpersonalabbaus wurde im Projekt der Uni Bremen negiert. Es muss darum gehen, die Rollen der verschiedenen Qualifikationen zu schärfen und mit einer reflektierten Aufgabenverteilung und Verantwortungszuweisung dafür zu sorgen, dass Pflegefachpersonen mehr Zeit für Fachaufgaben und insbesondere die Wahrnehmung ihrer Vorbehaltsaufgaben haben. 

Daneben ist ein Bestandsschutz vorgesehen. Das bedeutet, dass vorhandenes Personal nicht abgebaut werden muss und bestehende Stellen weiterhin nachbesetzt werden können. Selbst wenn die neuen Personalanhaltswerte zunächst rechnerisch zu einem geringeren Bedarf an bestimmten Qualifikationen führen würden, bleibt das bestehende Pflegefachpersonal erhalten. 

Pflegefachpersonen sind nach der Umsetzung von PeBem nicht mehr in der direkten Pflege tätig.
Pflegefachpersonen bleiben auch nach der Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens in der direkten Pflege tätig. Das Verfahren zielt darauf ab, die Pflegequalität zu verbessern und die Aufgabenbereiche besser zu verteilen, indem es die Aufgaben klarer strukturiert und die Zusammenarbeit im Team fördert.  Pflegefachpersonen übernehmen weiterhin zentrale Aufgaben in der direkten Pflege und sindgerade in komplexen Pflegesituationensowie bei der Anleitung anderer Mitarbeiter:innen unverzichtbar. Grundsätzlich sollen im anstehenden Personalentwicklungsprozess alle Mitarbeiter:innen einbezogen werden.

Pflegefachpersonen verwalten dann nur noch die Pflege.
Nur Pflegefachpersonen sind berechtigt, die Vorbehaltsaufgaben wahrzunehmen. Dies ist berufsrechtlich so geregelt, weil es sich dabei gerade nicht um einfache Verwaltung handelt, sondern um sehr verantwortungsreiche Aufgaben, die eine hohe Pflegefachlichkeit vorraussetzen. Die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses und die Analyse, Evaluation, Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität haben entscheidenden Einfluss auf die Pflegequalität. 

Mit der Pflegedokumentation nach dem Konzept des Strukturmodell von EinSTEP wurde Pflegefachpersonen auch ein praxistaugliches Werkzeug an die Hand gegeben, um diese Aufgaben strukturiert wahrnehmen zu können, bei gleichzeitig minimierter Dokumentationslast. Es geht dabei also nicht um Nachweispflichten und Verwaltung, sondern um die Pflege selbst.

Mit der Einführung von PeBem wird es keine Wohnbereiche mehr geben.
Die Einführung des Personalbemessungsverfahrens (PeBeM) führt nicht automatisch zur Abschaffung von Wohnbereichen in Pflegeeinrichtungen. Wohnbereiche können weiterhin als ein zentraler Bestandteil der Organisationsstruktur von Pflegeeinrichtungen bestehen bleiben. Die Entscheidung darüber, wie sich Einrichtungen im Umsetzungsprozess organisatorisch aufstellen, ist an den individuellen Gegebenheiten der Einrichtungen orientiert und bleibt damit letztlich ihnen überlassen.

Die vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Zielwerte müssen als Untergrenzen eingehalten werden.
Die definierten Werte sollen perspektivisch zu einer bundeseinheitlichen Umsetzung beitragen. Das Bundesministerium für Gesundheit betont explizit deren Unverbindlichkeit – weder eine Unterschreitung und vor allem nicht eine Überschreitung führe zu Nachteilen für die Einrichtungen. Die Zielwerte stellen ein Monitoring-Instrument dar, welches unter anderem für die anstehende Überprüfung weiterer Personalausbaustufen dienen wird. 

Ohne Interventionskatalog kann PeBem nicht umgesetzt werden. 
Der Interventionskatalog ist ein Messinstrument, das im Rahmen des Projektes der Uni Bremen entwickelt wurde. Er ist kein wissenschaftlich entwickeltes Instrument zur Pflegeprozessplanung und -steuerung, wie etwa das Pflegedokumentationsmodell EinSTEP. 

Wie die Projekte auf dieser Seite verdeutlichen, gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Personalbemessungsinstrument einzuführen, ohne irgend eine Art von Katalog hinterlegen zu müssen.

Die Dokumentation nach dem Strukturmodell passt nicht zum PeBem.
Im Gegenteil, richtig umgesetzt unterstützt das Strukturmodell die Wahrnehmung der Vorbehaltsaufgaben von Pflegefachpersonen in der Praxis und bietet damit einen praxisorientierten Ansatz zur Stärkung der verschiedenen Rollen in der Versorgung. Auch werden Kommunikation und Zusammenarbeit aller an der Versorgung beteiligten verbessert. 

Das Personalbemessungsverfahren steht nicht außerhalb, sondern muss sich einfügen in zentrale Weiterentwicklungsprozesse und Ziele, wie das neue Pflegeverständnis nach dem Pflegebedürftigkeitsbegriff. Der durch die Umsetzung angestoßene Personal- und Organisationsentwicklungsprozess sollte daher auch nicht als etwas „Zusätzliches“ sondern vielmehr als Chance begriffen werden, Vorbehaltsaufgaben und die Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs grundlegend anzugehen.

PeBem kann nur mit digitaler Infrastruktur und KI-gestützter Software umgesetzt werden.
Sicherlich bringen eine digitale Dokumentation und KI-gestützte Systeme (wie etwa Spracheingaben) Erleichterungen mit sich und können entlastend wirken in der Praxis. Für die Umsetzung von PeBem jedoch ist beides keine Voraussetzung.

Wichtig ist es in jedem Fall genau hinzuschauen, welche Prozesse in welcher Art und Weise digitalisiert werden können und sollten.