Stellungnahme der BAGFW für die Anhörung im BT-Ausschuss Arbeit und Soziales am 2. Juli 2007 zu dem

a) Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Verbesserung der Beschäftigungschancen von Menschen mit Vermittlungshemmnissen

 

a)    Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Verbesserung der Beschäftigungschancen von Menschen mit Vermittlungshemmnissen

 

- BT-Drs. 16/5715 -

 

 

b)    Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen

 

- BT-Drs. 16/5714

 

 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen

 

I.    Zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

 

  1. Die BAGFW begrüßt die Schaffung dauerhafter öffentlich geförderter Beschäftigung für diejenigen Arbeitslosen, die trotz intensiver Integrationsbemühungen und aufgrund ihrer persönlichen Problemlagen auf längere Sicht keine Chance auf dem regulären Arbeitsmarkt haben („ultima ratio“).
  1. Die BAGFW sieht als vorrangiges Ziel der Maßnahme, diesen Personenkreis sozial zu integrieren. Durch die Sanktionsbewährung in Form gebundener Entscheidungen auch hinsichtlich der Höhe und Dauer der Sanktion ist die Integration jedoch gefährdet. Die Beschäftigung muss prinzipiell freiwillig aufgenommen werden. Aus Sicht der BAGFW muss dem Fallmanager vielmehr ein weiter Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, ob er sanktioniert und in welcher Höhe und wie lange die Sanktion dauern soll, eingeräumt werden.

 

  1. Die BAGFW fordert, dass im Rahmen von Beschäftigungsfeldern, die rein zusätzlich und gemeinwohlorientiert sind, Lohnkostenzuschüsse in Höhe von bis zu 100 % gewährt werden können. Entsprechend der Förderung bei den Zusatzjobs ist den Trägern monatlich zusätzlich für die gesamte Förderdauer eine Pauschale in Höhe von 200 € monatlich zu gewähren, um die erforderliche Anleitung und sozialpädagogische Begleitung sowie den administrativen Aufwand abzudecken. Sofern infolge der vorübergehenden Beschränkung auf zusätzliche gemeinwohlorientierte Tätigkeiten vermehrt neu zu schaffende Arbeitsplätze gefördert werden, muss dem Fallmanagement vor Ort die Möglichkeit eingeräumt werden, Investitionskostenzuschüsse zu gewähren, soweit sie nötig sind. Investitionskostenzuschüsse dürfen daher nicht per se ausgeschlossen sein.
  1. Sofern die Tätigkeitsfelder arbeitsmarktnah sind, sollen sie in Abstimmung mit den beteiligten regionalen Arbeitsmarktakteuren festgelegt werden. Dazu sind  obligatorisch Beiräte bei den Trägern der Grundsicherung einzurichten. Bei der individuellen Bestimmung der Tätigkeit für den Arbeitsuchenden sind diesem und dem künftigen Arbeitgeber Wahlmöglichkeiten einzuräumen.
  1. Die BAGFW ist der Ansicht, dass allein Instrumente zur Förderung von Langzeitarbeitslosen mit multiplen Vermittlungshemmnissen derzeit nicht ausreichend sind, um die Integration von Langzeitarbeitslosen insgesamt erheblich zu verbessern. Insbesondere in Regionen mit verfestigter Arbeitslosigkeit ist eine Integration von Langzeitarbeitslosen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dringend geboten. Die BAGFW unterstützt daher ausdrücklich das vom Kabinett verabschiedete Bundesprogramm zur Förderung von zusätzlichen Arbeitsplätzen in Regionen mit hoher und verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit (Kommunal-Kombi).

 

 

II.   Zum Entwurf für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

 

  1. Die BAGFW begrüßt die Bemühungen des Gesetzgebers um eine gezielte Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeits-losigkeit von bildungsschwachen Jugendlichen.
  1. Die BAGFW begrüßt die Verankerung der Einstiegsqualifizierung im SGB III und die Fortführung der sozialpädagogischen Begleitung. Sie regt jedoch an, für den Fall der unzureichenden Bescheinigung Rückzahlungspflichten der Arbeitgeber vorzusehen.
  1. Die BAGFW begrüßt die Fortführung der Fördergrundlagen für die sozialpädagogische Begleitung von benachteiligten Jugendlichen sowie die Möglichkeit, Betriebe bei der Administration und Organisation betrieblicher Berufsausbildung und -vorbereitung zu unterstützen.
  1. Die BAGFW begrüßt die Einführung eines Qualifizierungszuschusses. Erforderlich ist auch hier eine sozialpädagogische Begleitung.
  1. Die BAGFW begrüßt die Einführung eines Eingliederungszuschusses. Da auch diese Jugendlichen Einstellungshemmnisse, wie z. B. fehlende soziale Kompetenzen, aufweisen, ist auch hier die Festschreibung eines Qualifizierungsanteils und die Möglichkeit zur sozialpädagogischen Begleitung unabdingbar.
  1. Die BAGFW begrüßt die Erweiterung der Berufsorientierung an Schulen ausdrücklich. Als entscheidendes Hemmnis für die Umsetzung der Berufsorientierung bleibt indes bestehen, dass sich Dritte, z. B. Länder und Kommunen, mit mindestens 50 % an der Förderung beteiligen müssen.
  1. Die BAGFW fordert darüber hinaus, dass in § 3 Abs. 2 SGB II klargestellt wird, dass Jugendliche vorrangig in Ausbildung zu vermitteln sind und erst nachrangig eine Vermittlung in eine Arbeit oder in eine Arbeitsgelegenheit erfolgen kann.
  1. Die BAGFW fordert, dass die bestehenden, kürzlich verschärften Sanktionsregelungen für Jugendliche flexibilisiert werden, damit die Fallmanager insbesondere bei sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten Jugendlichen über die  im Einzelfall angemessene Höhe und Dauer der Sanktion entscheiden können.  

 

 

B.

 

Im Einzelnen

 

I.   Zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

 

 

Zur Schaffung einer Beschäftigungsförderung nach § 16 a SGB II

 

1. Generelle Vorbemerkung

 

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammenarbeitenden Spitzenverbände unterstützen ausdrücklich das Vorhaben, längerfristige Beschäftigungsangebote für diejenigen Arbeitslosen bereitzustellen, die trotz intensiver Integrationsbemühungen keine Chance auf reguläre Arbeit haben. Mit diesen Beschäftigungsangeboten sollte ein Beitrag zur sozialen Teilhabe und gesellschaftlichen Integration vor allem langzeitarbeitsloser Menschen geleistet werden, die trotz dokumentierter Versuche der Arbeitsmarktintegration und aufgrund ihrer persönlichen Problemlagen auf längere Sicht nicht vermittelbar sind („ultima ratio“). Zu begrüßen ist insbesondere, dass die Arbeitsplätze in Form von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ohne Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung gefördert werden, da hierdurch Drehtüreffekte vermieden werden. Auch die Evaluierung des Instruments wird von der BAGFW unterstützt.

 

 

 

Die BAGFW ist indes der Ansicht, dass allein Instrumente zur Förderung von Langzeitarbeitslosen mit multiplen Vermittlungshemmnissen derzeit nicht ausreichend sind, um die Situation von Langzeitarbeitslosen insgesamt erheblich zu verbessern. Insbesondere in Regionen mit verfestigter Arbeitslosigkeit ist eine Integration von Langzeitarbeitslosen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erforderlich. Die BAGFW begrüßt daher, dass das Kabinett Eckpunkte für ein Bundesprogramm zur  Förderung von zusätzlichen Arbeitsplätzen in Regionen mit hoher und verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit (Kommunal-Kombi) beschlossen hat und unterstützt dieses Vorhaben ausdrücklich.

 

 

2. Zielgruppe / Förderfähiger Personenkreis (§ 16 a Abs. 1 SGB II n. F.)

 

Nach dem Gesetzentwurf sollen nach § 16 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB II n. F. erwerbsfähige Hilfebedürftige gefördert werden, die mindestens ein Jahr arbeitslos sind, in ihren Erwerbsmöglichkeiten durch mindestens zwei weitere in ihrer Person liegende Vermittlungshemmnisse besonders schwer beeinträchtigt sind und eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate ohne Förderung nach § 16 a SGB II nicht ausüben können. Als Vermittlungshemmnisse nennt die Gesetzesbegründung ausdrücklich nur beispielhaft das Lebensalter, einen Migrationshintergrund, fehlende schulische oder berufliche Qualifikationen, gesundheitliche Einschränkungen oder Sucht- oder Schuldenprobleme. Jugendliche unter 25 Jahren sind vom Anwendungsbereich ausdrücklich ausgeschlossen. Die Entscheidung über das Vorliegen eines solchen Vermittlungshemmnisses soll im Rahmen des Fallmanagements vor Ort getroffen werden. Voraussetzung der Förderung ist weiterhin, dass die Hilfebedürftigen auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten betreut wurden und Eingliederungsleistungen unter Einbeziehung der übrigen Leistungen nach diesem Buch erhalten haben.

 

Bewertung:

 

Nach Ansicht der BAGFW zählen zur Zielgruppe vor allem arbeitsmarktferne Personengruppen, die trotz dokumentierter Versuche der Arbeitsmarktintegration und aufgrund ihrer persönlichen Problemlagen (Sucht, Wohnungslosigkeit etc.) auf längere Sicht nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Die klare Zielgruppendefinition ist notwendig, um der Gefahr der Verdrängung regulärer Beschäftigung zu begegnen. Ferner wird nur dadurch sichergestellt, dass auch wirklich die arbeitsmarktfernsten Personen eine Chance auf eine derartige Maßnahme haben und die Arbeitsplätze nicht vornehmlich durch arbeitsmarktnähere Personen besetzt werden.

 

a)     ultima-ratio-Gedanke

 

Dauerhafte öffentlich geförderte Beschäftigung sollte erst einsetzen, nachdem in einer Aktivierungsphase überprüft wurde, ob nicht vorrangige Förderinstrumente greifen können (z. B. Instrumente zur Vermittlung älterer Arbeitnehmer in den ersten Arbeitsmarkt). Derartige Fördermaßnahmen müssen die „ultima ratio“ sein. Zu begrüßen ist vor diesem Hintergrund, dass der Fördermaßnahme nach § 16 a SGB II eine mindestens sechsmonatige Betreuung in einer Eingliederungsvereinbarung unter Gewährung von Eingliederungsleistungen und übriger Leistungen nach dem SGB II vorgeschaltet ist und der Fallmanager eine Prognose treffen muss, dass eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate ohne Förderung nicht möglich ist.

 

Die Auswahl der Personen muss durch ein umfassendes Assessment sichergestellt werden. Ein Erfolg dieses Verfahrens setzt allerdings ein hinreichend qualifiziertes Fallmanagement und die Einbeziehung von Fachdiensten voraus, die bisher schon mit der Person in einer helfenden Beziehung standen. Begrüßenswert ist, dass in der Gesetzesbegründung beispielhaft Kriterien für Vermittlungshemmnisse als Orientierung für die Fallmanager aufgeführt sind.

 

b)     Ausschluss von Jugendlichen

 

Die BAGFW teilt die Auffassung, dass für Jugendliche ein geschützter Zeitraum bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten bleiben muss, in dem vorrangige Förderleistungen zur Vermittlung in Ausbildung und Arbeit konsequent angewandt werden. Abweichend hiervon plädiert der Deutsche Caritasverband dafür, ausnahmsweise auch für Jugendliche dieses Förderinstrument verbunden mit einem individuellen Qualifizierungsplan und sehr engem Fallmanagement zu nutzen, wenn für sie eine Perspektive einer Berufsausbildung oder einer Integration in Arbeit aktuell nicht erreichbar ist (ultima ratio). Im Übrigen muss nach Ansicht der BAGFW indes auch für bildungsfernere Jugendliche die Heranführung an eine Ausbildung Vorrang erhalten. Die dafür existierenden Instrumente im SGB II, SGB III und SGB VIII werden zurzeit viel zu wenig genutzt.

 

c)    Menschen mit Behinderungen

 

Für Menschen mit Behinderungen bestehen gesetzlich abgesicherte spezielle Förderangebote (SGB III, XII, IX, VI) etwa zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur beruflichen Rehabilitation; diese sind zu erhalten und dürfen nicht eingeschränkt werden.

 

 

3. Vorrangiges Ziel: Soziale Integration

 

Die Leistungen zur Beschäftigungsförderung sind in § 16 Abs. 2 S. 2 SGB II verortet und stehen damit als Ermessensleistung in systematischem Zusammenhang mit den sozialintegrativen Leistungen des SGB II.

 

Bewertung:

 

Vorrangiges Ziel einer dauerhaften öffentlich geförderten Beschäftigung ist die soziale Integration. Sie ist durch Integration in Arbeit bzw. Beschäftigung nachhaltig zu unterstützen und abzusichern. Mittelfristig geht es um die Befähigung zur Arbeitsaufnahme in einem ungeförderten Beschäftigungsverhältnis im ersten Arbeitsmarkt.

 

Aus diesem Grunde ist es erforderlich, dass den Menschen neben ihrer Beschäftigung in ihrer persönlichen Situation durch die Gewährung sozialintegrativer Leistungen insbesondere nach § 16 Abs. 2 S. 2 SGB II und § 67 SGB XII geholfen wird. Die bisherige Praxis der Gewährung dieser Hilfen hat sich als unzureichend erwiesen. Die BAGFW empfiehlt daher gerade bei der Zielgruppe der Beschäftigungsförderung nach § 16 a SGB II eine verbindlichere, intensivere Nutzung der psycho-sozialen Hilfen. Nur durch eine Kombination dieser Maßnahmen kann eine soziale Integration gelingen und langfristig Vermittlungshemmnisse abgebaut werden.

 

 

4. Freiwilligkeit (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 c SGB II n. F.)

 

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, die Beschäftigungsförderung in § 31 Abs.  1 S. 1 Nr.1 c) SGB II einzufügen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Aufnahme oder Fortführung der Maßnahme wäre daher unmittelbar in gesetzlich verbindlicher Höhe zu sanktionieren, ohne dass hierbei die besonderen Aspekte des Einzelfalls durch den Fallmanager berücksichtigt werden können.

 

Bewertung:

 

Diesem Vorschlag tritt die BAGFW entschieden entgegen. Damit soziale Integration gelingt, muss die längerfristig öffentlich geförderte Beschäftigung im Idealfall ohne Sanktionsandrohung, freiwillig aufgenommen werden. Schon die Rahmenbedingungen der bis Ende 2009 stattfindenden geförderten Beschäftigung im gemeinwohlorientierten Bereich setzen an sich ein hohes Maß an Motivation des Arbeitslosen voraus. Aufgrund der besonderen persönlichen Schwierigkeiten des Personenkreises besteht die Gefahr, dass im Einzelfall entsprechende Maßnahmen abgebrochen werden und dann ein Sanktionsautomatismus eintritt, der dazu führt, dass diese Menschen im Ernstfall ohne Hilfen zum Lebensunterhalt überleben müssen. Das eigentliche Ziel der Maßnahme, die soziale Integration dieser  Personengruppe, würde daher in der Praxis verfehlt. Bei einem Teil der Zielgruppe, etwa bei psychisch kranken Menschen, Suchtkranken oder Arbeitslosen mit anderen gesundheitlichen Einschränkungen wird sich die tatsächliche Leistungsfähigkeit überdies häufig erst im Arbeitsprozess herausstellen, bzw. das Leistungsvermögen erheblichen Schwankungen unterworfen sein. Mindestens erforderlich ist es, den derzeit bestehenden Sanktionsautomatismus für dieses Instrument abzuschaffen. Erforderlich ist vielmehr ein weiter Sanktionsspielraum des Fallmanagers, der den Langzeitarbeitslosen eng betreut und daher unter Berücksichtigung aller Aspekte des Einzelfalls entscheiden können muss, ob eine Sanktion sinnvoll ist und ggf. in welcher Höhe und für welchen Zeitraum.

 

Nach Ansicht der BAGFW müssen Arbeitslose, die eine Beschäftigung aufnehmen, Wahlmöglichkeiten unter verschiedenen Arbeitsplatzangeboten erhalten. Auch für die künftigen Arbeitgeber soll es möglich sein, unter Bewerberinnen und Bewerbern auszuwählen. Die Stellenbesetzung soll im Einvernehmen zwischen den Trägern der Grundsicherung, den Trägern der Beschäftigungsangebote und den Arbeitslosen erfolgen.

 

 

Vorschlag:

 

Die vorgesehene Neufassung des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c SGB II ist aufzuheben.

 

§ 31 ist um folgenden Absatz 7 zu ergänzen:

 

„Abweichend von den Absätzen 1 bis 4 kann in den Fällen der Beschäftigungsförderung nach § 16 a Abs. 1 SGB II bei Vorliegen der Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 der Fallmanager im Einzelfall entscheiden, ob eine Kürzung des Regelsatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II erforderlich ist und in welcher Höhe und für welche Dauer sie angemessen ist. Die Sätze 6 und 7 des Absatzes. 3 gelten entsprechend.“

 

 

5. Art der Beschäftigung

 

In der Vorschrift des § 16 a SGB II n. F. sind die Einsatzfelder, die durch die Maßnahme gefördert werden sollen, nicht näher benannt. Grundsätzlich werden daher alle Arbeitsverhältnisse, also auch rein erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Tätigkeiten, gefördert. Wegen vermuteter beihilferechtlicher Probleme begrenzt die Bundesregierung für einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2009 gemäß § 70 Abs. 1 SGB II die Förderung auf Arbeiten, die nach § 260 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB III zusätzlich sind und im öffentlichen Interesse liegen und entsprechend § 21 SGB III bei Trägern durchgeführt werden.

 

In § 16 a Abs. 1 Nr. 4 SGB II n. F. ist zudem vorgesehen, dass regelmäßig nur Vollzeitbeschäftigungen unter Vereinbarung des tariflichen oder hilfsweise des ortsüblichen Arbeitsentgeltes gefördert werden. Die vereinbarte Arbeitszeit soll die Hälfte der vereinbarten Arbeitszeit nicht unterschreiten dürfen.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW ist der Ansicht, dass die öffentlich geförderte Beschäftigung nicht zu einer Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse führen darf. Dieses Kriterium ist bei zusätzlichen gemeinwohlorientierten Tätigkeiten erfüllt, die bei Trägern durchgeführt werden. Darüberhinaus sollen auch marktnahe und marktorientierte Einsatzfelder einbezogen werden. Die Einbindung aller Verantwortlichen über einen örtlichen Beirat und die Abstimmung der Betätigungsfelder unter den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarkts ist unerlässlich, um die Verdrängung regulärer Beschäftigung zu vermeiden.

 

Bei der Einbeziehung von Integrationsfirmen in die Förderung muss die spezielle Struktur dieser Einrichtungen beachtet werden. Keinesfalls dürfen dabei die Fördermöglichkeiten der Menschen mit Behinderungen gefährdet werden.

 

Zu begrüßen ist, dass regelmäßig  Vollzeiterwerbstätigkeit gefördert werden soll. Angesichts der persönlichen Schwierigkeiten und Einschränkungen des Personenkreises ist in der Praxis jedoch sorgfältig zu prüfen, ob eine Teilzeiterwerbstätigkeit angemessen ist. Nicht ausreichend ist es indes, wenn nur Tätigkeiten ab einem Umfang von 50 % der Arbeitszeit gefördert werden, da im Einzelfall angesichts der persönlichen Einschränkungen des Teilnehmers an der Maßnahme auch Tätigkeiten in geringerem Umfang erforderlich sein können.

 

 

6. Tarifliche oder ortsübliche Entlohnung (§ 16 a Abs. 1 Nr. 4 SGB II n. F.)

 

In § 16 a Abs. 1 Nr. 4 SGB II ist vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis unter Vereinbarung des tariflichen Arbeitsentgelts oder, wenn eine tarifliche Regelung keine Anwendung findet, des für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelts begründet wird.

 

Bewertung:

 

Über die Höhe der Entlohnung bestehen in der BAGFW unterschiedliche Auffassungen. Die Mehrheit der Verbände begrüßt die tarifliche bzw. ortsübliche Entlohnung, da hierdurch keine neue Vergütungsstruktur geschaffen wird. Darüber hinaus wären die Leistungsberechtigten – jedenfalls soweit sie in Vollzeit beschäftigt werden - von aufstockenden Leistungen des SGB II unabhängig. Mit dieser Entlohnung wären die Beschäftigten immer noch dem Niedriglohnsektor zuzurechnen. Der Deutsche Caritasverband empfiehlt angesichts der Leistungseinschränkungen der Zielgruppe der Maßnahme hingegen, den Lohnabstand zwischen öffentlich geförderter Beschäftigung einerseits und dem regulären Niedriglohnsektor andererseits zu wahren, um Anreize aufrechtzuerhalten, dass Personen, die in einem geförderten längerfristigen Stabilität gewonnen haben und qualifiziert wurden, in eine nicht geförderte Beschäftigung wechseln. Gerade bei Personen mit mehrfachen in der Person liegenden Vermittlungshemmnissen und einem entsprechend geringen Leistungsniveau sollte der Fallmanager die Möglichkeit haben, nach Absprache mit dem Träger ein Gehaltsniveau festzulegen, das zu einer Nettoentlohnung etwas oberhalb des ALG-II-Anspruches eines Alleinstehenden führen kann. Auch dürften arbeitslose Menschen ohne mehrfache in der Person liegende Vermittlungshemmnisse, die aufgrund einer (lokal) schlechten Arbeitsmarktlage weiterhin auf ALG II-Niveau leben, es als Benachteiligung empfinden, wenn ihnen ein Zugang zu einer tariflichen Entlohnung im „Sozialen Arbeitsmarkt“ verwehrt wird.

 

 

7. Art und Ausmaß der Förderung

 

Der Gesetzentwurf sieht in § 16 a Abs. 1 SGB II n. F. einerseits eine Förderung der Arbeitgeber in Form eines Beschäftigungszuschusses als Ausgleich der zu erwartenden Minderleistungen und andererseits einen Zuschuss zu sonstigen Kosten vor.

 

Arbeitgeber erhalten zunächst für maximal 24 Monate einen Beschäftigungszuschuss in Höhe von bis zu 75 Prozent (§ 16a Abs. 2 und 4 SGB II n. F.).  Berücksichtigungsfähig sind bei der Berechnung das zu zahlende tarifliche/ortübliche Arbeitsentgelt sowie der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung. Der Beschäftigungszuschuss kann für weitere 24 Monate beim selben Arbeitgeber wiederholt erbracht werden. In diesem Fall ist die Bezuschussung in der Regel um zehn Prozentpunkte zu vermindern.

 

Bewertung:

 

Nach Ansicht der BAGFW muss hinsichtlich der Höhe des Lohnkostenzuschusses eine flexible Entscheidung im Einzelfall möglich sein, ohne dass der Zuschuss von vornherein auf einen bestimmten maximalen Prozentsatz von 75 % begrenzt ist. Die BAGFW ist der Ansicht, dass sich ein Lohnkostenzuschuss in dieser Höhe nur für einen Teil der Zielgruppe eignet, um sie in den sozialen Betrieben beschäftigen zu können. Für die Leistungsschwächeren unter der Zielgruppe reicht ein Lohnkostenzuschuss in dieser Höhe nicht aus, damit die sozialen Betriebe bereit und in der Lage sind, sie zu beschäftigen.

 

Dies gilt vor allem hinsichtlich der Finanzierung von Beschäftigten in Tätigkeitsfeldern, die rein zusätzlichen und gemeinwohlorientierten Charakter haben. Auf diese Tätigkeiten wird die Beschäftigungsförderung nach § 16 a SGB II aus europarechtlichen Gründen in einer Übergangszeit bis 31.12.2009 beschränkt (§ 70 Abs. 1 SGB II). Ursprünglich hatte die Arbeitsgruppe hingegen vornehmlich Tätigkeitsfelder in den Fokus genommen, die bisher vernachlässigt werden, weil sie ökonomisch nicht ausreichend interessant sind, wo sich aber dennoch Einnahmen oder eine teilweise Kostendeckung erreichen lassen.[1] Gerade im sozialen Bereich wird es aber auch ab 1.1.2010 viele rein zusätzliche, gemeinnützige Angebote geben.[2] Mit diesen Angeboten wird sich keine (nennenswerte) Kostendeckung, also auch kein Produktivitätsvorteil, erreichen lassen, so dass es nicht ausreichend ist, lediglich einen Produktivitätsnachteil auszugleichen. Dies ist insbesondere der Fall bei Menschen, die in erster Linie Schlüsselqualifikationen wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Regelmäßigkeit und Umsetzung von Anleitung in selbstverantwortliches Handeln erwerben müssen. Ein Beispiel hierfür sind z. B. Menschen, die zwar erwerbsfähig sind, aber mehr als fünf Jahre erwerbslos sind sowie sehr schwere gesundheitliche und psychische Störungen aufweisen und nur in geschützten Projekten mit intensiver, individueller Arbeits-, Kunst- und Psychotherapie stabilisiert werden können. Im Rahmen der Beschäftigungstherapie stellen sie keine marktgängigen Produkte her, so dass diese Maßnahme ausschließlich der Integration und Erzeugung von Gruppenzugehörigkeit dient. Hier bedarf es zumindest bei Beginn der Förderung einer vollständigen Finanzierung dieser zusätzlichen Plätze. Dem Fallmanager vor Ort muss daher bei der Bestimmung der Förderanteile genügend Flexibilität eingeräumt werden, eine den örtlichen Bedingungen des Arbeitsmarktes und dem Grad der Vermittlungshemmnisse angemessene Entscheidung zu treffen.

 

Einer 100%-igen Förderung steht auch das EU-Beihilferecht nicht entgegen. Bereits heute wird bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) nach § 264 Abs. 2 S. 1 SGB II der Zuschuss „höchstens bis zur Höhe des monatlich ausgezahlten Arbeitsentgelts gezahlt.“ Überdies handelt es sich bei einem Beschäftigungszuschuss nach dem Altmark-Trans Urteil des EuGH nicht um eine Beihilfe, wenn es sich um eine Ausgleichszahlung für die Übernahme einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung handelt. Schließlich greift an dieser Stelle die De-Minimis-Verordnung (VO 1998/2006). Danach sind Beihilfen, die für einen Zeitraum von drei Jahren 200.000 € nicht übersteigen, freigestellt. Die Summe dürfte selbst bei der Einstellung mehrerer derart leistungsgeminderter Menschen in einem Unternehmen kaum erreicht werden.

 

Vorschlag

 

§ 16 a Abs. 2 SGB n. F. ist daher wie folgt zu ändern:

 

„Die Höhe des Beschäftigungszuschusses richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und kann bis zu 100 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts betragen.“

 

 

8. Befristung (§ 16 a Abs. 4 SGB II n. F.)

 

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Beschäftigungszuschuss bis zu 24 Monate gewährt werden kann. Er kann ohne zeitliche Unterbrechung wiederholt erbracht werden, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne die Förderung nach § 16 a Abs. 1 SGB II n. F. voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate nicht möglich ist. Bei einer wiederholten Förderung ist der Beschäftigungszuschuss gegenüber der bisherigen Förderhöhe in der Regel um 10 Prozentpunkte zu vermindern.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW hält es für unbedingt erforderlich, dass Menschen nicht dauerhaft in Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung „abgeschoben“ werden, sondern dass sie weiterhin eine mittel- bis langfristige Perspektive der schrittweisen Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben. Es ist daher zu begrüßen, dass die Maßnahme alle zwei Jahre verlängert werden kann und jährlich vom Fallmanager festgestellt wird, ob der Arbeitsuchende in seiner Entwicklung so weit ist, dass er Perspektiven auf dem ersten Arbeitsmarkt hat.

 

Im Hinblick auf die im Regelfall vorgesehene Absenkung des Lohnkostenzuschusses nach zwei Jahren ist darauf hinzuweisen, dass diese gerade in Bereichen zusätzlicher und gemeinwohlorientierter Tätigkeitsfelder als auch bei Personen, deren Produktivität aufgrund erheblicher individueller Beeinträchtigungen innerhalb des Förderzeitraums nicht steigt, oftmals nicht angezeigt sein kann.

 

 

9. Qualifizierung und Trägerfinanzierung (zu § 16 a Abs. 3 und 4 SGB II n. F.)

 

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass dem Arbeitgeber  Kosten einer beschäftigungsbegleitenden Qualifizierung pauschaliert in Höhe von maximal 200 € monatlich und begrenzt auf längstens ein Jahr erstattet werden. Darüber hinaus können nur in besonders begründeten Einzelfällen einmalig weitere notwendige Kosten des Arbeitgebers für besonderen Aufwand beim Aufbau von Beschäftigungsmöglichkeiten übernommen werden. Investitionskosten sind ausdrücklich ausgeschlossen.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW unterstreicht die Notwendigkeit  einer beschäftigungsbegleitenden Qualifizierung, die es den geförderten Personen ermöglicht, ihre fachlichen Fähigkeiten zu erhalten,  und weiterzuentwickeln und dadurch ihre Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Allerdings sollte die Beschränkung auf eine einmalige Förderung je angestelltem Arbeitnehmer entfallen. Die mehrjährigen Beschäftigungsverhältnisse werden im Verlauf wechselnde Arbeitsanforderungen stellen, die mehr als nur einmalig Qualifizierungen notwendig machen können. Auch sollte das Ziel, Integrationsfortschritte der Teilnehmer zu fördern und dafür gezielte Qualifizierungsarbeit zu leisten, für den gesamten Förderzeitraum aufrechterhalten bleiben. Zumindest sollte im Interesse einer individuellen Förderung das Fallmanagement die Möglichkeit haben, im Einzelfall die vorgesehenen Qualifizierungsbestandteile aufzuspalten und über den gesamten Förderzeitraum gewähren zu können. Nur so ist den individuellen Lernfortschritten von Personen mit mindestens zwei Vermittlungshemmnissen Rechnung zu tragen.

 

Im Hinblick auf die bis Ende 2008 vorgesehene Begrenzung der Tätigkeitsfelder auf zusätzliche gemeinnützige Arbeiten ist entsprechend der Regelungen bei den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung den Trägern eine monatliche Aufwandsentschädigung für administrativen Aufwand und insbesondere die erforderliche Anleitung und sozialpädagogische Begleitung des Hilfeempfängers zu gewähren. Dieser Aufwand wird durch die Trägerpauschale bei den Zusatzjobs derzeit mit ca. 200  € monatlich abgedeckt. Um mit der Beschäftigungsförderung nach § 16 a SGB II die erstrebten Ziele der sozialen Integration dieser besonderen Gruppe von Langzeitarbeitslosen zu erreichen, muss es dem Fallmanagement hier ermöglicht werden, eine entsprechende Förderung über die gesamte Förderdauer zu gewähren.

 

Die BAGFW erwartet überdies, dass durch die Einschränkung der Tätigkeitsfelder auf zusätzliche gemeinwohlorientierte Tätigkeiten in viel höherem Maße als erwartet Arbeitsplätze im sozialen Bereich notwendig sein werden. Dies fordert zu einem großen Teil neue Arbeitsplätze, die ohne Investitionskosten nicht geschaffen werden können. Das Fallmanagement vor Ort ist auch hier auf einen entsprechenden Entscheidungsspielraum angewiesen, der es ihm ermöglicht, die im Einzelfall erforderlichen Investitionskosten zu gewähren.

 

Vorschlag:

 

§ 16 a Abs. 3 ist daher um einen Satz 2 zu ergänzen:

 

„Der Arbeitgeber erhält zur Abgeltung seines administrativen Aufwands und für Kosten für eine Anleitung und sozialpädagogische Begleitung des Arbeitnehmers eine monatliche Pauschale für die Dauer der Förderung nach Abs. 4 Nr. 1 in Höhe von 200 € monatlich.

 

Ø  § 16 a Abs. 3 Nr. 2 S. 2 SGB II wird gestrichen.

 

Ø  § 16 a Abs. 4 Nr. 2 SGB II ist wie folgt zu ergänzen:

 

„Der Zuschuss nach Abs. 3 Nr. 1 kann wiederholt erbracht werden.“

 

 

9. Finanzierung

 

Laut Gesetzesbegründung soll die neue Beschäftigungsförderung auf mittlere Sicht jährlich 1,4 Mrd. € kosten. Die Kosten der Neuregelung sollen sowohl durch Einsparungen an anderer Stelle im Einzelplan des BMAS aufgefangen werden und überdies zur Deckung der Eingliederungstitel der Grundsicherung für Arbeitsuchende herangezogen werden soll.

 

Bewertung:

 

Um einen kontinuierlichen und effektiven Einsatz des Instruments zu gewährleisten, ist eine verlässliche Gestaltung des Eingliederungstitels und dessen entsprechende Aufstockung notwendig. Haushaltssperren und eine „Stop-and-Go“-Arbeitsmarktpolitik müssen vermieden werden. Eine mehrjährige Förderdauer über das Haushaltsjahr hinaus muss gesichert werden. Schließlich ist zu vermeiden, dass für andere Personengruppen vorgesehene Eingliederungsmittel durch diese Maßnahmen abgeschöpft werden. Dies ist indes zu befürchten, da bei einem derzeitigen Volumen von 5,5 Mrd. € dieser unverhältnismäßig belastet würde, wenn er alleine für die Finanzierung herangezogen würde. Hinzukommt, dass der Ausschuss für Arbeit es gerade abgelehnt hat, den Deckungsvermerk von aktiven Leistungen zu passiven Leistungen im Bundeshaushalt in Höhe von 1 Mrd. € zu streichen. Die BAGFW befürwortet vielmehr, Regelungen im Bundeshaushalt für eine Bündelung der passiven und aktiven Haushaltsmittel zu nutzen (einseitige Passiv-Aktiv-Deckungsfähigkeit).

 

 

Zur Anpassung der Regelleistung

 

Der Gesetzentwurf sieht eine Anpassung des Regelsatzes vor. Die Anpassung des Rentenwertes zum 1. Juli 2007 zieht auch eine Anpassung des Regelsatzes nach sich. Der Gesetzgeber stellt mit der vorgelegten Anpassung klar, dass die Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II dem gleichen Rundungsverfahren unterliegen wie der Regelsatz der Sozialhilfe (SGB XII).

 

Bewertung:

 

Die im Gesetzentwurf vorgenommene Angleichung der Rundung des Regelsatzes an die entsprechende Praxis im SGB XII ist zu begrüßen.

 

Der Rentenwert ist indes als Bezugsgröße für den Regelsatz ungeeignet. Gemäß § 2 Abs. 3 der Regelsatzverordnung orientiert sich die Regelsatzbemessung an den Verbrauchsausgaben der untersten 20 von Hundert der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Um der Intention des § 2, d.h. der Orientierung am Verbrauch, gerecht zu werden, muss die Anpassung zwischen den einzelnen EVS anhand einer Bezugsgröße erfolgen, welche die Entwicklung der Verbraucherpreise abbildet. Der aktuelle Rentenwert leistet dies nicht; ein geeigneter Maßstab wäre der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Die Orientierung an der Preisentwicklung ist auch deshalb vorzuziehen, weil die Berechnung des Rentenwertes durch Faktoren beeinflusst wird, die für die Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums sachfremd sind. Hierzu zählt beispielsweise die demographische Entwicklung.

 

 

II.   Zum Entwurf für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

 

 

1.    Generelle Vorbemerkung

 

Die BAGFW begrüßt die Bemühungen des Gesetzgebers um eine gezielte Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Die neue Gesetzesinitiative zielt vor allem darauf ab, der Langzeitarbeitslosigkeit von bildungsbenachteiligten Jugendliche, die im Rechtskreis des SGB II betreut werden, durch frühzeitige Förderung vorzubeugen. Allerdings stellt sich im Einzelfall auch der Bedarf, Jugendliche über einen längerfristigen Zeitraum in berufsausbildungsvorbereitenden oder beschäftigungsbegleitenden Maßnahmen zu fördern. Überdies lässt der Gesetzentwurf einzelne Schwachstellen in der Förderung von Jugendlichen im SGB II unberücksichtigt.

 

 

2.    Einstiegsqualifizierung (§ 235 SGB III n. F. )

 

Nach dem Gesetzentwurf wird die betriebliche Einstiegsqualifizierung als Arbeitgeberleistung in das Arbeitsförderungsrecht aufgenommen. Der Gesetzgeber beruft sich dabei auf die positiven Erfahrungen mit dem Sonderprogramm des Bundes zur Einstiegsförderung Jugendlicher (EQJ).

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt die Fortführung der Einstiegsqualifizierung für Jugendliche (EQJ) und die Verankerung im Arbeitsförderungsrecht. Jugendliche, die z. B. aufgrund fehlender Ausbildungsreife bei der Ausbildungsplatzsuche erfolglos geblieben sind, erhalten durch ein betriebliches Praktikum eine zusätzliche Chance auf einen Ausbildungsplatz. Zu begrüßen ist insbesondere, dass das EQJ nach § 235 b Abs. 4 Nr. 3 SGB III ausdrücklich lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende erfasst. Während beim Qualifizierungszuschuss für Jugendliche eine Rückzahlung für den Fall vorgesehen ist, dass es Arbeitgeber versäumen, den Jugendlichen die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten der Jugendlichen zu bescheinigen, fehlt eine entsprechende Regelung für die Einstiegsqualifizierung. Da es in den letzen Jahren bei der Umsetzung des EQJ immer wieder erhebliche Versäumnisse von Kammern und Unternehmen gab, den Jugendlichen Zeugnisse und Zertifikate auszustellen, wird angeregt auch für die Einstiegsqualifizierung eine Rückzahlungspflicht im Falle unzureichender Bescheinigung vorzusehen. Sicherzustellen ist überdies, dass Mitnahmeeffekte der Betriebe durch Überprüfungen der Agenturen für Arbeit entgegen gewirkt werden.

 

Die Fortführung der gesetzlichen Grundlagen für die sozialpädagogische Begleitung in Betrieben über den 31.12.2007 hinaus wird als positiv eingeschätzt, um den Zugang von benachteiligten Jugendlichen zum EQJ zu erleichtern und den Praktikumsverlauf zu stabilisieren. Damit Betriebe die sozialpädagogische Unterstützung in Anspruch nehmen können, benötigen sie mehr und bessere Informationen sowie Beratungen von den Arbeitsagenturen und Kammern. Neu stellt sich diese Aufgabe für die Träger der Grundsicherung.

 

 

3.    Sozialpädagogische Begleitung (§ 241 a SGB III n. F.)

 

Mit der Neuregelung können Arbeitgeber Unterstützung erhalten, um benachteiligte Auszubildende bei der Durchführung einer Berufsbildungsvorbereitung mit sozialpädagogischer Begleitung zu betreuen.

 

Bewertung:

 

Die Regelungen stellen eine Fortführung und Weiterentwicklung vorhandener gesetzlicher Grundlagen gem. § 421 m SGB III dar, die bis zum Ende dieses Jahres befristet sind. Die BAGFW begrüßt die Fortführung der Fördergrundlagen für die sozialpädagogische Begleitung von benachteiligten Jugendlichen. Hervorzuheben ist die neu geschaffene Möglichkeit, Klein- und Mittelbetriebe  bei der Administration und Organisation betrieblicher Berufsausbildungsvorbereitung und Berufsausbildung zu unterstützen. Sozialpädagogische Begleitung muss im Einzelfall insbesondere auch für den Qualifizierungszuschuss nach § 421 o SGB III und den Eingliederungszuschuss nach § 421 p SGB III vorgesehen sein.

 

 

4.    Qualifizierungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss (§ 421 o SGB III n. F.)

 

Der Qualifizierungszuschuss wird Jugendlichen unter 25 Jahren gewährt, wenn sie mindestens 6 Monate arbeitslos waren, über keinen Berufsabschluss verfügen und im Rahmen des Arbeitsverhältnisses qualifiziert werden. Förderungsfähig sind 50 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts für ein Jahr, wobei 35 Prozent als Zuschuss zum Arbeitsentgelt und 15 Prozent für die Qualifizierung des Arbeitnehmers vorgesehen sind. Soweit das Arbeitsentgelt 1000 Euro übersteigt, bleibt der 1000 Euro übersteigende Teil bei der Berechnung des Zuschusses unberücksichtigt. Gemäß § 421o Abs. 4 SGB II soll der Inhalt der Qualifizierung der betriebsnahen Vermittlung von arbeitsmarktverwertbaren Kenntnissen dienen und ist zu bescheinigen. Leistungen nach dem SGB III, die auf die Erzielung eines beruflichen Abschlusses zielen, haben gemäß § 421o Abs. 5 SGB III Vorrang.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW sieht in dem neuen Qualifizierungszuschuss grundsätzlich die Chance auf verbesserte Beschäftigungsperspektiven für arbeitslose Jugendliche. Die BAGFW unterstreicht die vorgesehene Regelung, wonach der  Qualifizierungszuschuss für Jugendliche ohne Berufsabschluss nur nachrangig gegenüber anderen Förderleistungen gewährt wird, die auf einen Ausbildungsabschluss abzielen. Der Qualifizierungszuschuss ist nur für solche Jugendliche sinnvoll, die aktuell keine realistische Perspektive haben, eine Berufsausbildung zu absolvieren und bei denen auch Maßnahmen, die auf eine Ausbildung vorbereiten (z. B. berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen) aktuell nicht in Frage kommen. Fraglich ist, ob Jugendliche mit dem vorgesehenen Qualifizierungszuschuss ausreichend qualifiziert werden können, insbesondere was die beabsichtigte Anwendung von Ausbildungs- oder Qualifizierungsbausteinen anbelangt. Flächendeckend stehen derartige Bausteine nicht zur Verfügung, so dass hierfür zunächst Entwicklungsarbeit zu leisten ist.

Qualifizierungszuschüsse sollten um das Angebot  einer flankierenden sozialpädagogischen Begleitung ergänzt werden, damit benachteiligte Jugendliche von der Förderung profitieren können und Betriebe bereit sind, sie einzustellen. Es wird vorgeschlagen, die Anwendungsmöglichkeiten des neu geschaffenen § 241 a SGB III entsprechend zu erweitern. Für Jugendliche mit Kindern oder mit Migrationshintergrund muss auch im SGB III begleitend eine Kinderbetreuung oder Sprachförderung ermöglicht werden.

 

Sinnvoll und wichtig ist auch eine regelhafte Einbeziehung der Jugendberufshilfe, da auf diese Weise die Arbeitgeber die Sicherheit einer hinreichenden sozialpädagogischen Begleitung und zielgruppengerechte Qualifizierung haben.

 

 

5.    Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer mit Berufsabschluss (§ 421 p SGB III n. F.)

 

Arbeitgeber, die jugendliche Arbeitnehmer nach einer mindestens sechs Monate andauernden Arbeitslosigkeit beschäftigen, können für ein Jahr Zuschüsse zum Arbeitsentgelt von mindestens 25 Prozent, maximal 50 Prozent erhalten.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt die Einführung des Eingliederungszuschusses für jüngere Arbeitnehmer mit Berufsabschluss. Jugendliche mit Leistungsbeeinträchtigung bzw. sozialer Benachteiligung haben häufig besondere Probleme, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Sinnvoll ist daher, wenn diese Personengruppe vorrangig von dem Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitsnehmer nach § 421 p SGB III profitiert. Da auch diese Jugendlichen Einstellungshemmnisse wie z. B. fehlende soziale Kompetenzen aufweisen, ist auch in diesem Förderprogramm die Festschreibung eines Qualifizierungsanteils und der Möglichkeit zur sozialpädagogischen Begleitung unabdingbar.

 

Für Jugendliche mit Kindern oder mit Migrationshintergrund muss auch im SGB III begleitend eine Kinderbetreuung oder Sprachförderung ermöglicht werden. Sinnvoll und wichtig ist auch eine regelhafte Einbeziehung der Jugendberufshilfe, da auf diese Weise die Arbeitgeber die Sicherheit einer hinreichenden sozialpädagogischen Begleitung und zielgruppengerechte Qualifizierung haben.

 

Lösung:

 

§ 241 a ist um die Maßnahmen Qualifizierungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer nach § 421 o SGB III und Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer nach § 421 p SGB III zu erweitern.

 

 

6.    Erweiterte Berufsorientierung (§ 421 q SGB III n. F.)

 

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bis zum 31.12.2010 Berufsorientierungsmaßnahmen über einen Zeitraum von vier Wochen hinaus und außerhalb der unterrichtsfreien Zeit durchgeführt werden können.

 

Bewertung:

 

Die BAGFW begrüßt die Erweiterung der Berufsorientierung. Ihrer Ansicht nach ist es dringend notwendig, die Berufsorientierung an Schulen zu verstärken. Die Neuregelungen sind geeignet, die Rahmenbedingungen in der Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit auf diesem Gebiet zu verbessern, indem die bisherige Beschränkung der Angebote auf die unterrichtsfreie Zeit aufgehoben und die Förderung über den Zeitraum von vier Wochen hinaus ermöglicht wird. Als entscheidendes Hemmnis für die Umsetzung der Berufsorientierung bleibt allerdings bestehen, dass sich Dritte mit mindestens 50 % an der Förderung beteiligen müssen. Bislang erweist es sich als sehr schwierig, ein ausreichendes finanzielles Engagement von Ländern und Kommunen zu gewinnen.

 

 

7.     Weitere Änderungsbedarfe

 

  1. Klarstellung des Ausbildungsvorrangs in § 3 Abs. 2 SGB II

 

Die BAGFW fordert, eine Klarstellung in den Grundsätzen zur Förderung Jugendlicher gem. § 3 SGB II zu treffen, wonach Jugendliche vorrangig in Ausbildung zu vermitteln sind, erst nachrangig dazu eine Vermittlung in Arbeit oder eine Eingliederungsleistung erfolgt. Die gesetzliche Klarstellung ist auch deshalb notwendig, weil es die Träger der Grundsicherung bislang versäumt haben, in ausreichendem Umfang solche Förderangebote zu schaffen, die Jugendliche bei der Vorbereitung auf eine Berufsausbildung und beim Abschluss einer Ausbildung unterstützen. Das Gebot der Nachrangigkeit von Arbeitsgelegenheiten wird noch zu häufig missachtet.

 

  1. Flexibilisierung der Sanktionsregelungen für Jugendliche im SGB II

 

Die bestehenden Sanktionsregelungen für Jugendliche sind mit dem Fortentwicklungsgesetz zum SGB II wesentlich verschärft worden. Die Fallmanager haben keine Möglichkeit, im Einzelfall über Angemessenheit und Höhe der Sanktion zu entscheiden. Insbesondere sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Jugendlichen drohen infolge der strikten Sanktionsregelungen nicht nur von materiellen Hilfen, sondern auch von Unterstützungs- und Qualifizierungsangeboten abgeschnitten zu werden. Die BAGFW fordert daher eine deutliche Flexibilisierung der Sanktionsregelungen.

 

 

 

 

Berlin, den 28.06.2007



[1] Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt v. 9.5.2007, S. 20.

[2] Auch diese Angebote hatte die Arbeitsgruppe in ihrem Endbericht v. 95.2007 erwähnt: „Zusatzangebote in der Alten und Jugendarbeit“, vgl. S. 20.