Beitrag der BAGFW zur Öffentlichen Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung im Rahmen der TTIP

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege nimmt wie folgt zu den Fragen über die Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat- Streitbeilegung Stellung:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege nimmt wie folgt zu den Fragen über die Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat- Streitbeilegung Stellung:

 

Frage 1:

Geltungsbereich der materiell-rechtlichen Investitionsschutzbestimmungen

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments von den Zielen und dem Ansatz in Bezug auf den Geltungsbereich der materiell-rechtlichen Bestimmungen zum Investitionsschutz im Rahmen der TTIP?

 

Die Zielsetzung, Investitionsschutz erst zu gewähren, wenn bereits Mittel in erheblichem Umfang eingesetzt wurden, ist, ebenso wie eine Klarstellung des Begriffs Investor, richtig.

 

Unabhängig davon stellt sich jedoch die Frage nach dem Rechtsweg. Angesichts der entwickelten rechtsstaatlichen Instrumente bei den jeweiligen Parteien des Abkommens, ist die Ausschöpfung des jeweiligen nationalen Rechtswegs zu bevorzugen.

 

Frage 2: Nichtdiskriminierung

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments vom Ansatz der EU in Bezug auf Nichtdiskriminierung im Rahmen der TTIP? Bitte erläutern Sie Ihren Standpunkt.

 

Das Prinzip der Nichtdiskriminierung wird anerkannt. Ausnahmen und Sonderregelungen, die auf bestimmte Zielsetzungen des jeweiligen öffentlichen Interesses zielen, müssen möglich sein. Sofern diese für alle Investoren und Investitionen auf dem Gebiet eines Vertragspartners gelten, etwa im Bereich des Gesundheitsschutzes, sind diese nicht als diskriminierend anzusehen.

 

Faire und angemessene Behandlung

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments vom Ansatz der EU in Bezug auf die faire und angemessene Behandlung von Investoren im Rahmen der TTIP?

 

Prinzipiell kann das begrüßt werden. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass nicht jede Veränderung bestimmter Regeln und Normen als Verstoß gegen die vertraglichen Grundsätze gewertet werden kann. Dies vor allem deshalb, weil angepasste Normen, die auf neuen Erkenntnissen oder neuen Bedarfen beruhen, Gegenstand politischer Entscheidungen sind.

 

Frage 4: Enteignung

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments vom Ansatz der EU in Bezug auf Enteignung im Rahmen der TTIP? Bitte erläutern Sie Ihren Standpunkt.

 

Grundsätzlich können klarere Regelungen zu mehr Rechtssicherheit führen. Im Hinblick auf die indirekte Enteignung stellt sich für uns allerdings die Frage, ob eine Orientierungshilfe bei Auslegungsfragen ausreichend ist, um Entschädigungsforderungen bei berechtigten Maßnahmen im öffentlichen Interesse zu vermeiden und den bisher erheblichen Interpretationsspielraum von Schiedsgerichten einzugrenzen. Die Einschränkung auf berechtigte Gründe und deren Überprüfung auf Verhältnismäßigkeit, lässt noch weitgehenden Spielraum für schiedsgerichtliche Eingriffe.

 

U. E. müssen konkrete Festlegungen von anerkannten Gemeinwohlerwägungen getroffen werden. Die im CETA-Referenzdokument angesprochenen nichtdiskriminierenden Maßnahmen im Bereich der Gesundheit, Sicherheit und Umwelt, die keine indirekte Enteignung begründen sollen, müssen erweitert werden, etwa auf Maßnahmen im Bereich des Sozialrechtes und des Sozialschutzes.

 

Maßnahmen, die sich – z. B. im Zusammenhang mit der Umsetzung von Bürgerinteressen und Bürgerwillen - etwa auf den wirtschaftlichen Wert einer Investition auswirken, sollten keine Entschädigungsforderungen wegen indirekter Enteignung begründen können.

 

Frage 5:

Gewährleistung des Regelungsrechts und Investitionsschutz

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments vom Ansatz der EU in Bezug auf die Wahrung des Regelungsrechts im Rahmen der TTIP?

 

siehe Antwort zu Frage 4)

 

Transparenz bei ISDS

 

Trägt angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments dieser Ansatz zum Ziel der EU bei, Transparenz und Offenheit des ISDS-Systems im Rahmen der TTIP zu verbessern? Machen Sie gegebenenfalls bitte weitere Vorschläge.

 

Dieser Absicht kann hilfsweise unter der Voraussetzung zugestimmt werden, dass es zu einem ISDS-System im Rahmen der TTIP kommt.

 

Frage 7:

Mehrfachklagen und Beziehungen zu inländischen Gerichten

 

Ist dieser Ansatz angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments Ihrer Ansicht nach geeignet, um ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Inanspruchnahme der ISDS-Schiedsgerichte und der Möglichkeit zum Anrufen nationaler Gerichte herzustellen und Konflikte zwischen inländischen Rechtsbehelfen und der ISDS im Rahmen der TTIP zu vermeiden? Nennen Sie bitte gegebenenfalls weitere mögliche Schritte und nehmen sie Stellung zur Nützlichkeit der Schlichtung als Möglichkeit der Streitbeilegung.

 

Zunächst ist die Frage zu beantworten, ob überhaupt ein ISDS-Schiedsgericht im Rahmen dieses Abkommens erforderlich ist. Aus unserer Sicht ist der jeweilige nationale Rechtsweg zur Sicherung des Investorenschutzes ausreichend. Beide Vertragsparteien verfügen über funktionierende rechtsstaatliche Instrumente. Diese eröffnen zudem den Weg, Rechtsmittel gegen Entscheidungen einzulegen.

 

Frage 8:

Ethik, Verhalten und Qualifikationen der Schiedsrichter

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments vom Verhaltenskodex und den Anforderungen an die Qualifikationen von Schiedsrichtern im Rahmen der TTIP? Verbessern sie das bestehende System und können weitere Verbesserungen ins Auge gefasst werden?

 

Unabhängig von der Notwendigkeit außergerichtlicher Streitschlichtungsverfahren ist die Sicherstellung unabhängiger und unparteiischer Verfahren von herausragender Bedeutung. Dies wird durch die funktionierenden Rechtssysteme der Vertragsparteien sichergestellt.

 

Die Frage zeigt zudem, dass mit dem Abkommen neue und komplizierte Verfahren und Regeln etabliert werden. Besser wäre es, von vornherein auf die vorhandenen Rechtsverfahren und deren Instrumente zurück zu greifen.

 

Frage 9:

Prävention mutwilliger und unbegründeter Klagen

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments von den Mechanismen zur Verhinderung mutwilliger oder unbegründeter Klagen und zur Beseitigung von Klageanreizen im Rahmen der TTIP?

 

Nennen Sie bitte auch etwaige weitere Möglichkeiten zur Vermeidung mutwilliger und unbegründeter Klagen.

 

Unabhängig von der Entscheidung über die tatsächliche Notwendigkeit eines externen Streitbeilegungsverfahrens ist eine solche Regelung zur raschen Abweisung unbegründeter Forderungen dringend gefordert.

 

Frage 10:

Weiterbearbeitung und „Filterung“ von Klagen

 

Einige Investitionsabkommen sehen Filtermechanismen vor, bei denen die Parteien (in diesem Fall die EU und die USA) in ISDS-Fälle eingreifen können, wenn ein Investor versucht, aus aufsichtsrechtlichen Gründen im Interesse der Finanzstabilität getroffene Maßnahmen anzufechten. In solchen Fällen können die Parteien gemeinsam entscheiden, dass eine Klage nicht weiter bearbeitet werden sollte. Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments vom Einsatz und vom Anwendungsbereich solcher Filtermechanismen im Rahmen der TTIP?

 

kein Kommentar

 

Frage 11:

Orientierungshilfen der Parteien (EU und USA) bei der Auslegung des

Abkommens

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments von diesem Ansatz zur Gewährleistung einer einheitlichen und berechenbaren Auslegung des Abkommens im Interesse der Ausgewogenheit? Sind diese Elemente wünschenswert, und wenn ja, halten sie diese für ausreichend?

 

Da wir uns gegen die Verankerung eines ISDS-Systems im Rahmen der TTIP aussprechen, nehmen wir zu dieser Frage nur hilfsweise Stellung und ersuchen die Verhandlungspartner folgenden wichtigen Aspekt zu berücksichtigen:

 

Zum Gegenstand der Schiedsverfahren würde nicht nur die Auslegung von Rechtsfragen des Abkommens zählen, sondern mittelbar auch die Auslegung der nichttarifären Handelshemmnisse, mithin auch der Standards, die den berechtigten Investoreninteressen entgegenstehen mögen. Vor diesem Hintergrund ist es uns wichtig, dass dafür Sorge getragen wird, dass die Rechtsvertreter der Beteiligten an einem solchen Schiedsverfahren über ausgewiesene Fachkenntnisse im Bereich der spezifischen Sektoren verfügen. Das heißt für Auswirkungen z.B. auf den Gesundheits- und Sozialbereich wären Experten aus dem Sozialrecht zu beteiligen.

 

Frage 12:

Berufungsmechanismus und Stetigkeit der Schiedssprüche

 

Was halten Sie angesichts der obigen Erläuterung und des im Anhang angeführten Referenzdokuments davon, zur Gewährleistung einer einheitlichen und berechenbaren Auslegung des Abkommens einen Berufungsmechanismus im Rahmen der TTIP einzurichten?

 

Wir halten einen externen Streitbeilegungsmechanismus für nicht notwendig. Die bestehenden etablierten Rechtssysteme sehen Rechtsmittel vor. Die Anwendung der jeweiligen nationalen Rechtswege würde somit dem Manko der Endgültigkeit von Schiedsgerichtsentscheidungen ausreichend entgegen wirken. Auf zusätzliche bürokratische Strukturen, die die Legitimität von Schiedsgerichtsentscheidungen steigern sollen, kann von daher verzichtet werden.

 

 

 

Allgemeine Bewertung

 

Wie bewerten Sie allgemein das vorgeschlagene Konzept für materiell-rechtliche Schutznormen und ISDS als Grundlage für die Investitionsverhandlungen zwischen der EU und den USA? Sehen Sie für die EU andere Möglichkeiten zur Verbesserung des Investitionssystems? Gibt es zu den im Fragebogen behandelten Themen weitere Aspekte, auf die Sie eingehen möchten?

 

Die Verbände der Freien Wohlfahrtsverbände sehen das Konzept der externen Streitbeilegung insgesamt kritisch und lehnen es im konkreten Fall des EU-US Freihandelsabkommens ab. Die Einführung einer eigenständigen Schiedsgerichtsbarkeit zur Beilegung von Streitigkeiten ist wegen der entwickelten und funktionierenden Rechtsschutzsysteme der Vertragsparteien nicht erforderlich. Das Zustandekommen eines Abkommens hängt auch nicht davon ab, wie das US- Abkommen mit Australien zeigt.

 

Mit der externen Streitbeilegung würde eine Parallelstruktur zu der bestehenden ordentlichen Gerichtsbarkeit geschaffen. Die angedachten Ergänzungen, wie der Berufungsmechanismus, Orientierungshilfen, Präventivmaßnahmen oder Verhaltensregeln sind nicht dazu angetan, die bewährten Instrumente der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu ersetzen.

 

Bedenken bestehen auch im Hinblick auf eine mögliche Inländerdiskriminierung, die durch unterschiedliche Klagewege entstehen könnte.

 

Wir befürchten, dass Investoren Privilegien eingeräumt werden, die staatliches Handeln im Interesse des Gemeinwohls einschränken. Den staatlichen Institutionen muss es aus Gründen des Umwelt-, Verbraucher-, Sozial- und Gesundheitsschutz oder anderen Vorsorgemaßnahmen möglich sein, Rechtsvorschriften zu erlassen, die im Interesse der Bürger liegen, auch wenn davon Investitionen betroffen sein können.

 

Kompetenzen der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer sozialen Sicherungssysteme dürfen durch Freihandels- und Investitionsschutzabkommen nicht unterlaufen werden. Dies gilt auch für etwaige außerparlamentarische kooperative Regulierungsgremien, die zur Weiterentwicklung von Standards diskutiert werden. Aus demokratietheoretischen und Transparenzgründen lehnen wir

ein solches Regulierungsgremium ab. Sollte sich jedoch ein solches Gremium in den Verhandlungen durchsetzen, plädieren wir dafür, nur solche Aspekte auf die Agenda der Gespräche in einem kooperativen Regulierungsgremium zu nehmen, die sich auf einem untergesetzlichen Niveau befinden, wie z.B. rein technische Normen, etwa vergleichbar mit der DIN in Deutschland.

 

Es gilt, die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU im Einklang mit dem AEUV, insbesondere dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse, und unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU in diesem Bereich, einschließlich des GATS-Abkommens, zu wahren. Es muss klargestellt sein, dass die Erbringung sozialer Dienstleistungen und die mitgliedstaatlichen

Sozialschutzsysteme einschließlich der übrigen Regelungen, die Standards und Schutz zugunsten der Betroffenen festschreiben, nicht Gegenstand des Abkommens sind. Dazu gehören auch aus den rechtlichen Vorgaben des Sozialschutzes resultierende Vereinbarungen, wie z.B. Qualitätsvereinbarungen zwischen Leistungserbringer und Kostenträger.

 

Wir halten es weiterhin für notwendig:

-     größtmögliche Transparenz im Verhandlungsverfahren herzustellen,

-     die demokratische Legitimation des Freihandelsabkommens zu sichern,

-     zu gewährleisten, dass Arbeitnehmerrechte geschützt werden.

 

Wir mahnen an, auch das CETA-Abkommen mit Kanada einer öffentlichen

Konsultation zu unterziehen, anstatt es als Referenzdokument zu Grunde zu legen.

 

Das TTIP-Abkommen ist u. E. nur akzeptabel, wenn die geforderten „Schutzklauseln“ im Hinblick auf den Sozialschutz und die Erbringung sozialer Dienstleistungen tatsächlich Eingang finden. Auf ein gesondertes Streitbeilegungsverfahren sollte verzichtet werden.