Gastreden

Gastrede 2007 der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Präsident Neher,
sehr geehrter Herr Meier,
sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
sehr geehrte Präsidenten der Verbände
der Freien Wohlfahrtspflege,
meine Damen und Herren,

ich möchte mich sehr herzlich für die Einladung zur Verleihung des Deutschen Sozialpreises bedanken. Die Wohlfahrtsverbände sind dafür bekannt, dass sie neben ihrer Tätigkeit immer wieder dafür werben, dass Menschen, die nicht jeden Tag etwas mit der Freien Wohlfahrtspflege zu tun haben, besser verstehen, welche Probleme wir in unserem Land haben und wie wir menschliches Miteinander gestalten können. Dafür möchte ich Ihnen ein herzliches Dankeschön sagen. Meine heutige Anwesenheit hier ist sowohl ein Dankeschön an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege als natürlich auch ein Dankeschön an diejenigen in den Medien, die die Funktion übernehmen, die Botschaft zu den Menschen zu bringen.

Der Deutsche Sozialpreis dient dem besseren Kennenlernen von Problemen in unserem Land. Mit diesem Preis wird ein sozial engagierter und kritischer Journalismus gewürdigt. Er wird damit gefördert, und zwar jenseits des Quotendrucks und der Auflagenstärke, einfach um des Beitrags willen. Ich glaube, gerade in einer Zeit, in der die Frage, wie viel Aufmerksamkeit etwas findet, eher an Bedeutung zu- als abnimmt, ist dieser Preis außerordentlich wichtig. Ich würde also sagen: Er hat in den letzten 36Jahren aus meiner Sicht an Bedeutung gewonnen. Soziales Engagement sollte auch weitgehend unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen möglich sein. Dass Sie so viele Bewerbungen um diesen Preis hatten, zeigt, dass das auch so ist.

Der Preis ist etabliert. 1971 wurde er zum ersten Mal verliehen. Die Medienlandschaft hat sich seitdem dramatisch verändert. Das merken wir, wenn wir einmal über die Vielzahl von Radio- und Fernsehsendern nachdenken, wenn wir über die Umbrüche in der Zeitungslandschaft nachdenken oder wenn wir uns das Aufkommen des Internets anschauen. Das heißt, hier haben sich für die Menschen sehr viele Möglichkeiten entwickelt, sich zu informieren. Aber hier ist auch sehr viel Gefahr aufgekommen, schnelle, einleuchtende, lustige, poppig gestaltete Informationen vielleicht höher zu schätzen als die Besinnung auf einzelne menschliche Schicksale.

Den Preisträgern war und ist auch heute eines gemeinsam: Sie schauen ganz genau hin, sie nehmen sich Zeit, um die Menschen zu begleiten, über die sie berichten. Zeit gerät bei uns zu einem absolut knappen Gut. Den Preisträgern ist gemeinsam, dass sie mehr sehen wollen als nur die Oberfläche. Sie wollen Hintergründe aufdecken, sie wollen verstehen, was vor sich geht. Indem das geschieht, rütteln ihre Beiträge auch wach. Sie machen auf menschliche Schicksale mitten unter uns aufmerksam, die vielleicht sonst nicht gesehen werden, übersehen werden.

Es ist sicherlich nicht immer leicht, gerade diese Form von Journalismus im alltäglichen Wettbewerb um Beiträge zu pflegen. Deshalb möchte ich den diesjährigen Preisträgern ganz herzlich dafür danken, dass sie die Mühen auf sich genommen haben und dass sie diese Art von Journalismus gepflegt haben. Ich glaube, ich kann das auch für viele der Beiträge sagen, die heute nicht ausgezeichnet werden, die aber natürlich auch eine große Bereicherung sind. Den Preisträgern möchte ich sagen, dass die Tatsache, dass ihnen der diesjährige Sozialpreis verliehen wird, auch ein Ausdruck dessen ist, dass sich die Anstrengung, die Mühe, die Idee, das eigene Vorgehen gelohnt haben.

Ich möchte natürlich auch den Sendern, den Chefredakteuren und den Verlegern danken. Denn jeder gute Beitrag muss auch einen Sendeplatz bekommen. Darüber entscheiden nicht diejenigen, die die Beiträge gemacht haben, sondern darüber entscheiden diejenigen, die mit der Programmgestaltung etwas zu tun haben.

Wenn man sich einmal anschaut, welche Beiträge prämiert worden sind, dann sieht man, dass bestimmte menschliche und gesellschaftliche Probleme über die Jahrzehnte relativ konstant und gleich geblieben sind. Es geht eben, wie immer wieder bei Menschen, um Krankheit, um Einsamkeit, um Ausgrenzung. Es geht um soziale Notlagen und es geht um Versuche von Menschen- von mutigen Menschen, von Menschen mit Zivilcourage-, aus diesen sozialen Notlagen auszubrechen oder anderen zu helfen, sie zu überwinden.

Dabei wird auch klar: Hilfe kann nicht allein der Staat leisten. Neben dem Staat, der seine Aufgabe hat, ist die Zivilgesellschaft, ist die Familie, ist jeder Einzelne in unserer Gesellschaft gefordert. Jeder Einzelne kann einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft menschlicher wird. Der Staat kann natürlich mit seiner Sozial- und Gesellschaftspolitik bei einigen Dingen helfen, aber in manchen Fragen wirklich nicht in Erscheinung treten. Der Staat kann schwer bei Einsamkeit Trost spenden, er kann Heimweh nicht lindern und er kann zum Beispiel auch nicht Kindern die nötige Liebe geben. Aber der Staat kann natürlich etwas anderes: Er kann einen Rahmen abstecken, in dem Menschen vor existenzieller Not bewahrt werden.

Meine Damen und Herren,
es wird täglich über die Frage diskutiert: Was ist soziale Gerechtigkeit? Als Ziel ist die soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft unumstritten. Aber obwohl sie tragendes Element unserer Gesellschaft ist, einer Gesellschaft, die sich der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, ist die Frage, wie soziale Gerechtigkeit denn erreicht wird oder wie sie gewahrt werden kann, eine Frage, über die die Meinungen weit auseinander gehen und die im Übrigen auch Teil des politischen Diskurses, der politischen Debatte, manchmal auch des politischen Streites ist.

Was ist in dieser Debatte unstrittig oder sollte unstrittig sein? Ich denke, dass Politik zur Sicherung sozialer Gerechtigkeit nachhaltig und dauerhaft sein muss. Das ist eine der unstrittigen Aussagen. Das gilt sowohl mit Blick auf diejenigen, die heute Beiträge zahlen, Steuern zahlen, als auch immer mit Blick auf die künftigen Generationen. Deshalb ist eines der Anliegen der Bundesregierung, bis 2011 die Aufnahme neuer Schulden im Bundeshaushalt zu beenden. Wir sollten nicht vergessen: Wenn wir 2011 zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen ausgeglichenen Haushalt haben, dann haben wir immer noch den Schuldenstand, der in den letzten Jahrzehnten angehäuft wurde. Er beläuft sich derzeit allein beim Bund auf rund 920Milliarden Euro.

Jeder, der einmal selbst einen Kredit aufgenommen hat, ein Haus gekauft hat, der kennt sich aus und weiß, wie das mit den Zinszahlungen ist, wie diese Zinszahlungen drücken und die eigenen Handlungsspielräume einschränken. Das, was jeder aus seinem privaten Leben kennt, ist eben beim Staatshaushalt nicht anders. Deshalb will ich noch sagen: Die Zinsen für die Schulden, die wir heute schon angehäuft haben, belaufen sich zurzeit auf etwa 15 Prozent unseres gesamten Bundeshaushalts. Das heißt, wir müssen jedes Jahr 40Milliarden Euro an Zinsen zahlen, die dann eben nicht für soziale Gerechtigkeit, für Investitionen in Zukunftsbereiche, für Bildung und für Forschung zur Verfügung stehen. Deshalb ist die Sanierung des Haushalts mit Blick auf die Kinder und Enkel in unserer Gesellschaft eine der Aufgaben, die eine Politik für Gerechtigkeit verfolgen und umsetzen muss.

Wir haben uns daher zu Beginn der Arbeit der Großen Koalition den Dreiklang "Sanieren, Reformieren und Investieren" als Aufgabe gegeben. Ich glaube, wir haben auf diesem Weg schon vieles erreicht. Wenn wir sagen können, dass im Vergleich zum Vorjahresmonat die Zahl der Arbeitslosen um 650.000 gesunken ist und dass wir zum ersten Mal in der Deutschen Einheit über 40Millionen Erwerbstätige in Deutschland haben, dann ist das, glaube ich, etwas, was der Gerechtigkeit in unserem Lande ein Stück voranhilft. Ich will aber ausdrücklich sagen: Mit 3,5Millionen Arbeitslosen können wir uns nicht zufrieden geben, sondern wir müssen genau auf diesem Weg weitermachen.

Wir wollen natürlich auch versuchen, den Menschen möglichst viel für die Gestaltung ihres eigenen Lebens zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel durch die Senkung von Lohnzusatzkosten. Wir wissen auch, dass, um soziale Gerechtigkeit leben zu können, Eigenverantwortung der Menschen notwendig ist. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir immer wieder auf Fordern und Fördern setzen- Menschen auf der einen Seite helfen, aber auf der anderen Seite auch nicht übersehen, dass auch bestimmte Forderungen gestellt werden müssen. Das sind genau die Fragen, über die im Detail sehr hart gestritten wird.

Ich glaube aber, auch das ist soziale Gerechtigkeit: Menschen zu befähigen, Menschen zu ermutigen, sich selbst zu helfen und selbst ein Stück dazu beizutragen, die eigene Notlage zu überwinden. Deshalb ist soziale Politik, ist soziale Gerechtigkeit weit mehr als nur die Verteilung sozialer Leistungen. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass etwas zum Verteilen da ist. Wir müssen das, was wir verteilen, so einsetzen, dass dabei der Einzelne, soweit es möglich ist, gestärkt werden kann.

Deshalb werbe ich auch hier, bei der Freien Wohlfahrtspflege, um eine solche Politik. Denn Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vielen Ehrenamtlichen in unserem Land, helfen tagtäglich Menschen in Not. Ich weiß, dass viele um die Finanzierung sozialer Projekte kämpfen, wie schwierig das an manchen Stellen ist und wie viel man noch machen könnte, wenn mehr Geld zur Verfügung stünde.

Ich weiß aber auch, wie viel auf die Beine gestellt wird- sowohl im hauptamtlichen als auch im ehrenamtlichen Bereich. Die Bundesregierung hat deshalb noch einmal ein Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes, ein Gesetz zur Stärkung der Stiftungen in unserem Land durchgesetzt, um das bürgerschaftliche Engagement zu stärken und Menschen dazu zu ermutigen, es bewusst zu fördern. Denn die Gelder, die der Einzelne, der Geld einsetzen kann, in unserer Gesellschaft hat, können sich genau dann gut entfalten, wenn sie auch der Gemeinschaft zugute kommen.

Deshalb ist gerechte Politik nicht nur eine Politik des Verteilens und der Fürsorge, sondern gleichermaßen Politik für Zukunft und für Eigenverantwortung- Politik, die Voraussetzungen dafür schafft, dass Menschen in Not ein Stück weit die Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft finden, aber auch dass Menschen in Not wieder andere Menschen finden, die sich bereit erklären, ihnen zu helfen. Wenn wir manchmal sehr viel über Patriotismus sprechen, dann sollten wir daran denken, dass es vielleicht gerade dieser Teil unserer Gesellschaft ist, der die Gemeinsamkeit derer ausmacht, die in einem Land zusammenleben. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen, die sich gar nicht kennen, Menschen, die nicht verwandtschaftlich miteinander verbunden sind, bereit sind, füreinander einzustehen. Das ist das, was ein Land, das wir als unsere Heimat betrachten, mehr sein lässt als die Summe aller Individuen.

Nun, meine Damen und Herren, ist es hier nicht meine Aufgabe, die Laudatio auf die Preisträgerinnen und Preisträger zu halten. Ich will Herrn Neher auch nicht bei den Auszeichnungen vorgreifen. Aber ich möchte vielleicht doch kurz auf einige Themen eingehen, die auch mir im Zusammenhang mit dieser Preisverleihung sehr wichtig sind, zum Beispiel, dass es um Migrantenschicksale geht. Herr Neher hat bereits darauf hingewiesen.

Das Thema Integration ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft von allergrößter Bedeutung ist. Wir haben uns gerade vor zwei Tagen beim Deutsch-Französischen Ministerrat mit unseren französischen Regierungskollegen über die Frage ausgetauscht, wie Migration, wie Integration in unseren beiden Ländern stattfindet. Wir haben dabei sehr interessante Eindrücke gewonnen.

Wir müssen vor allen Dingen erst einmal dafür sorgen, dass ein Klima da ist, in dem keine Fremdenfeindlichkeit besteht und in dem die Herkunft nicht entscheidend dafür ist, ob Menschen eine Chance haben. Wir müssen uns mit dem Thema des Rechtsradikalismus befassen, der leider an vielen Stellen existent und virulent ist. Wir dürfen davor nicht die Augen verschließen. Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz haben keinen Platz in Deutschland. Das muss leider immer wieder deutlich gesagt werden.

Deshalb müssen wir an dieser Stelle- die Bundesregierung tut das durch eine Vielzahl von Programmen- verhindern, dass zum Beispiel auf Schulhöfen CDs oder Zeitungen verteilt werden, die junge Menschen durch rechtsextremistisches Gedankengut irreleiten. Wir dürfen nicht zusehen und nicht zulassen, dass rechtsextreme Gruppierungen Verbände und Institutionen infiltrieren und sie von innen her verändern. Es bedarf der Zivilcourage. Wenn Rechtsextremisten anfangen, sich soziale Angebote auf die Fahnen zu schreiben- wir beobachten das leider in einigen Teilen von Deutschland-, dann darf das nicht akzeptiert werden. Hier müssen wir von Anfang an wirklich aufpassen, denn es geht Rechtsextremisten nicht darum, anderen Menschen zu helfen, sondern es geht eigentlich nur darum, eine Schwelle zu überwinden, um mit rechtsextremem Gedankengut infiltrieren zu können.

Ich habe gehört, dass die Wohlfahrtsverbände auch diesem Thema in Zukunft verstärkt Aufmerksamkeit widmen wollen. Ich unterstütze das ausdrücklich und ich ermutige sie dazu. Ich wünsche ihnen auch Erfolg dabei, Menschen vor Ort zu ermuntern, Mut zu zeigen und beim kleinsten Anzeichen von Rechtsextremismus dagegen einzutreten. Das halte ich für sehr wichtig.

Mit dem Sozialpreis wird auch ein Beitrag ausgezeichnet, der die Arbeit mit so genannten Problemkindern zum Inhalt hat. Viele Kinder bringen heute ihre Probleme mit in die Schule, weil sie zu Hause keine Möglichkeit finden, sie zu bewältigen und mit den Eltern darüber zu sprechen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Lehrerinnen und Lehrer heute weit mehr tun müssen, als nur den Stoff der Unterrichtsstunde zu vermitteln. Sie müssen an vielen Stellen auch das tun, was eigentlich in einer Familie passieren sollte. Mir ist wichtig, dass wir die Ursachen dieser Probleme nicht wegdenken und dass wir nicht sagen: Das müsste doch eigentlich die Familie machen. Damit ist dem einzelnen Kind überhaupt nicht geholfen. Wir dürfen kein Kind aufgeben, kein Kind darf verloren gehen. Das muss die Maxime in unserer Gesellschaft sein, auch wenn es oft sehr schwierig ist.

Wir wissen, dass letztlich Bildung der Schlüssel zur Teilhabe in unserer Gesellschaft ist, der Schlüssel zu der Chance, in einer gerechten Gesellschaft zu leben. Das gilt für deutsche Kinder genauso wie für Kinder mit Migrationshintergrund. Auch hier ist wieder die Philosophie von Fördern und Fordern ganz wichtig. Ich glaube, es ist richtig, dass heute an vielen Stellen Sprachtests mit Kindern gemacht werden. Es ist nicht nur so, dass die Kinder mit Migrationshintergrund oft die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, sondern leider sind es manchmal auch Kinder von deutschen Eltern, die die nötigen Sprachkenntnisse nicht mehr mitbringen.

Hier muss gefordert, aber eben auch gefördert werden. Genau deshalb haben wir der frühkindlichen Bildung, auch der Betreuung von Kindern unter drei Jahren, eine ganz spezielle Aufmerksamkeit gewidmet- nicht weil wir glauben, dass die Familie nicht auch vieles leisten wird, leisten muss, leisten soll und auch leisten will, sondern weil wir einfach sehen, dass viele Kinder in einer Lage sind, in der sie auf genau diese Angebote angewiesen sind.

Ich persönlich füge allerdings hinzu: Wir sollten auch die Eltern nicht aufgeben, sondern auch Eltern immer wieder helfen, ihrer Aufgabe der Erziehung gerecht zu werden. Auch hier gibt es viele Fälle, in denen Eltern sich schwertun und in denen die Schwellen, überhaupt ein Angebot der Hilfe anzunehmen, relativ hoch liegen. Insofern gibt es auch an dieser Stelle viel zu tun.

Wir müssen Bildung also als Vorsorge gegen soziale Notlagen, als Vorsorge für persönlichen und beruflichen Erfolg sehen. Wenn man sich einmal die Korrelation zwischen Schulabschlüssen und Chancen im späteren beruflichen Leben anschaut, so sieht man, dass die Tendenz zunimmt, dass nur mit einer vernünftigen Bildung auch wirklich die Chance auf eine vernünftige Entwicklung besteht.

Damit ist das Thema Bildung inzwischen ein Thema der sozialen Gerechtigkeit. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Bildung investieren und dass wir Bildungschancen besser in unserem Land verteilen. Deshalb muss den Kindern, die zu Hause nicht die Chancen bekommen, auch an dieser Stelle vermehrt geholfen werden. Und deshalb muss auch viel mehr, als wir das heute haben, Ganztagsbetreuung, etwa in Ganztagsschulen, angeboten werden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön all denjenigen sagen, die in diesem Bereich arbeiten.

Ich glaube, wir müssen auch unser Verständnis der Bildungsarbeit an einigen Stellen überdenken. Ich spreche, seitdem ich Jugendministerin war, sehr oft darüber. Das Unterrichten an einer Hauptschule muss mitnichten einfacher sein als das Unterrichten an einem Gymnasium. Ich würde einmal sagen, als gelernte Physikerin schaffe ich es immer noch, den Physikstoff bis zur 12. oder 13.Klasse im Kopf zu haben. Aber soziale Kompetenz zu vermitteln, Geduld mit und Liebe zu den Schülerinnen und Schülern aufzubringen, Kinder aufzubauen, Kinder zu ermutigen- all das ist an vielen Stellen kaum durch Prüfungen abzulegen und das ist auch sehr schwer zu schaffen. Dafür bedarf es der Anerkennung und der Ehrung durch die Gesellschaft.

Meine Damen und Herren,
die diesjährigen Preisträger haben sich mit ihren Beiträgen also bewegender und wichtiger Themen angenommen. Sie sind damit würdige Nachfolger der früheren Preisträgerinnen und Preisträger. Dass wir mit diesem Preis Verborgenes zu sehen bekommen, dass wir Einsichten in Probleme gewinnen, die vielleicht unbequem sind, aber bei denen wir nicht wegsehen dürfen- das ist der Beitrag, um dessentwillen ich heute gerne hier bei Ihnen bin. Ich freue mich, dass wir das, was prämiert wird, jetzt besser kennen lernen können und damit eine praktische Einsicht in das bekommen, was unsere Gesellschaft wie ein Mosaik zusammensetzt. Dieses Mosaik ist in jedem seiner Teile beachtenswert und in diesen Teilen auch "preiswert"- nicht im Sinne von billig, sondern im Sinne von preiskrönenswert.

Ich freue mich auf das, was wir jetzt sehen werden. Ich bin gerne hier und danke Ihnen für die Einladung.