Selbstverständnis

Die Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege als Gestaltungselement des Sozialstaats, ihr Selbstverständnis und ihre vielfältigen Dienste und Einrichtungen haben historische Wurzeln. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert hat zu tiefgreifenden Veränderungen des Lebensalltags der Menschen geführt. Neben dem wirtschaftlichen Fortschritt trat soziale Verelendung durch Prozesse sozialer Ungleichheit. Zunächst die Kirchen, später wohlhabende Bürger und der Adel, schließlich Arbeiterzusammenschlüsse wurden sozial tätig. Sie gründeten soziale Dienste und Einrichtungen. Der Staat hielt sich zurück.

Nach dem 1. Weltkrieg war das Elend der Menschen massenhaft, so dass der Staat die Initiative ergreifen musste. Auf der Grundlage der Weimarer Reichsverfassung wurde die Reichsfürsorgepflichtverordnung und das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz verabschiedet. Dabei konnte und wollte der Staat auf die lange Erfahrung der Wohlfahrtsorganisationen und ihre Dienste und Einrichtungen nicht verzichten. Der Bestand der Verbände wurde durch die Vorrangstellung zur öffentlichen Wohlfahrtspflege ebenso gesichert wie ihre Förderung. Es galt und gilt noch heute der Grundsatz der Subsidiarität. Im Bundessozialhilfegesetz und im Kinder- und Jugendhilfegesetz findet dieses Prinzip seine Verankerung. Subsidiarität meint eine Zurückhaltung staatlicher Eingriffe, soweit und solange die Tätigkeit freier gesellschaftlicher Kräfte in gleicher Weise geeignet erscheint, soziale Probleme zu bewältigen.

Die Wohlfahrtsverbände haben mit ihrer z. T. weit in die Geschichte hineinreichenden Tradition ein Fundament für den Sozialstaat der Bundesrepublik Deutschland gesetzt. Das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes (Art. 20 und 28) basiert u. a. deutlich auf den Geboten der christlichen Nächstenliebe und der Humanität. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bekennen sich zu dem Sozialstaat der Bundesrepublik Deutschland und setzen sich für seine Weiterentwicklung unter Beachtung der diesen tragenden Prinzipien Solidarität, Subsidiarität und Personalität ein. Solidarität verpflichtet Leistungsstarke zum Teilen mit Leistungsschwachen. Subsidiarität verweist auf das Gebot zur Zurückhaltung staatlichen Handelns und auf die Pflichten des einzelnen. Personalität bedeutet das individuelle Eingehen auf Notlagen von einzelnen.

Mit dem in Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes festgeschriebenen unmittelbaren Zusammenhang von Demokratie und Sozialstaat sehen die Wohlfahrtsverbände verfassungsrechtlich garantiert, dass soziale Leistungen nicht eine milde Gabe von Staat und Wirtschaft an hilfebedürftige Menschen, sondern bürgerschaftlich gestaltete Lebensstandardsicherung sind. Das Sozialstaatsgebot bedeutet zugleich, dass der Sozialstaat nicht Ergänzung oder nur Korrektiv einer freien Marktwirtschaft, sondern unabdingbar integraler Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft ist.

Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer weltanschaulichen Grundhaltungen verbindet die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege kooperierenden Verbände ein Wohlfahrtsverständnis, das nicht nur die Sozialpflicht des Staates sieht. Vielmehr heben die Wohlfahrtsverbände sozialverantwortliches Handeln für sich selbst und für den Mitmenschen als ein Wesenselement des Sozialstaats hervor. Den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege ist insofern gemeinsam, dass sie nicht nur Träger sozialer Dienste und Einrichtungen repräsentieren. Sie motivieren darüber hinaus Menschen zum Einsatz für das Gemeinwohl und verstehen sich als Anwalt für Hilfebedürftige dem Gedanken sozialer Gerechtigkeit folgend.

In eigener Verantwortung bietet die Freie Wohlfahrtspflege Menschen qualifizierte soziale Dienstleistungen an. Die Wertgebundenheit der Verbände schlägt sich zugleich in der Vielfalt ihrer Einrichtungen und Dienste sowie in der Pluralität der Ansätze und Methoden ihrer sozialen Arbeit nieder. Ausdruck dieser Wertgebundenheit und der Sozialverantwortlichkeit der Freien Wohlfahrtsverbände ist es auch, dass ihr Wirken nicht an nationalen Grenzen halt macht. Sie helfen solidarisch den Menschen, die außerhalb Deutschlands auch außerhalb Europas soziale Not leiden.

1. Die Pluralität der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege
Mit der Freien Wohlfahrtspflege manifestieren sich gesellschaftliche Eigenkräfte, die das soziale Gemeinwesen in der Bundesrepublik Deutschland mitgestalten. Aus unterschiedlichen historischen Situationen heraus führte dies zu einer Bildung der einzelnen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die heute auf der Bundesebene als Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeiten.

Eine ihrer stärksten Wurzeln hat die Freie Wohlfahrtspflege in der jüdischen und christlichen Tradition, was sich in der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, im Deutschen Caritasverband und im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland manifestiert.

Die Arbeiterwohlfahrt ist als Selbsthilfe der Arbeiterschaft entstanden mit dem Ziel, die diskriminierende Armenpflege des Kaiserreiches durch Selbsthilfe und Solidarität abzulösen. Heute ist die Arbeiterwohlfahrt eine Helferorganisation für alle sozial bedrängten und bedürftigen Menschen unabhängig von Herkunft und Konfession. Die Arbeiterwohlfahrt verbindet Hilfe für den einzelnen stets mit dem Engagement für eine Politik der gesellschaftlichen Reformen und der sozialen Demokratie. Der Deutsche Caritasverband ist der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche. Er erbringt aus christlicher Verantwortung soziale Dienste mit und für Menschen. Auf der Grundlage des Evangeliums wirkt er an der Gestaltung des gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens mit. International ist der Deutsche Caritasverband in der Not- und Katastrophenhilfe sowie im Aufbau langfristiger sozialer Dienste tätig. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (Der PARITÄTISCHE) ist der jüngste der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in der Bundesrepublik. In ihm haben sich Organisationen und Verbände zusammengeschlossen, die insbesondere ihre Eigenständigkeit gefördert wissen wollen. Besonders geprägt ist der PARITÄTISCHE durch Selbsthilfeorganisationen aller Fachbereiche, insbesondere aus dem Gesundheitsbereich. Das Deutsche Rote Kreuz ist die nationale Rotkreuzgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Es nimmt damit Aufgaben wahr, die sich aus den sog. Genfer Rotkreuz-Abkommen, den Zusatzprotokollen und den Beschlüssen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenzen ergeben. Zugleich ist das Deutsche Rote Kreuz Träger der sozialen Arbeit, der sich insbesondere der Förderung der Gesundheit, der Jugend, der Familien und der gesellschaftlichen Wohlfahrt ganz allgemein widmet. Das Diakonische Werk der EKD ist Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche in Deutschland. Diakonisches Handeln ist eine Antwort auf die Versöhnung durch Jesus Christus. In dieser Verantwortung werden Menschen in allen Lebenslagen begleitet und beraten, gepflegt und gestärkt, getröstet und gefördert. In Zusammenarbeit mit ihren Partnern weltweit übernimmt die Diakonie Verantwortung für die eine Welt und setzt sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung ein. Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. (ZWST) ist der Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland, zentralisiert und systematisiert deren Zusammenarbeit und ist deren gemeinsame Interessenvertretung auf dem Gebiet der Sozialarbeit. Der Verband gewährt nach dem Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" gezielte Unterstützung in individuellen Notlagen. Im Mittelpunkt der derzeitigen Arbeit steht die Integration der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und die Erhaltung und Vertiefung jüdischer Tradition.

Mit ihren jeweils wertgebundenen Hilfeleistungsangeboten tragen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zum Auf- und Ausbau des Sozialwesens in der Bundesrepublik Deutschland bei und ermöglichen ein plurales Angebot qualifizierter sozialer Hilfen.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sind Träger sozialer Aufgaben als Partner im Sozialstaat. Dabei sind die übernommenen Aufgaben geprägt von dem Eigenverständnis des jeweiligen Verbandes. Im Hinblick auf das Eigenverständnis der Verbände können die Aufgaben deutlich über die Aufgabenstellung des Staates hinausgehen, zeitlich verschoben oder auf Dauer. Ihre Hilfeleistungsangebote beruhen damit grundsätzlich auf einem eigenen Auftrag, der allerdings im Kontext zur jeweiligen gesellschaftlichen Lage entwickelt wird. Der Subsidiaritätsgedanke ist konstitutiv für die Stellung der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in unserem Sozialstaat. Die gesellschaftlichen Selbsthilfekräfte - dazu zählen auch die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege - genießen dabei einen Vorrang vor der Aufgabenerfüllung durch den Staat. Mit ihren Maßnahmen, Diensten und Einrichtungen erbringen sie dabei einen nicht zu ersetzenden Beitrag zur Sozialstaatlichkeit des Gemeinwesens im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Dabei darf an der Rolle des Staates als notwendigem und handlungsfähigem Vollzugsorgan und Ausfallbürgen kein Zweifel aufkommen. Die letztendliche und verfassungsgemäße Verpflichtung des Staates zur Daseinsvorsorge und -fürsorge kann nicht - auch nicht an die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege - delegiert werden.

Die Tätigkeit der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bezieht sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sie tragen jedoch auch zur Linderung von Notlagen in anderen Ländern bei. Die Verbände sind, was die internationale Zusammenarbeit erleichtert, in globale Strukturen, internationale Organisationen gleicher Tradition und Zielsetzung und in internationale Netzwerke eingebunden. Ein entsprechendes Verständnis entwickelt sich in der Europäischen Union: Die Wohlfahrtsverbände kooperieren hier sehr eng mit ihren jeweiligen ausländischen Partnerorganisationen, diese verbandsbezogene Kooperation wird vertieft durch ein Zusammenwirken der freigemeinnützigen Organisationen in Europa über die bestehenden Verbands- und Staatsgrenzen hinweg. Damit leisten die Spitzenverbände ein Stück Verständigungsarbeit in Europa mit dem Ziel des Zusammenwachsens.

2. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege als Gemeinwohl-Agenturen
Für den Aufbau und Ausbau unseres sozialen Gemeinwesens ist das freiwillige soziale Engagement möglichst vieler Bürger unverzichtbar. In unterschiedlichen Formen - Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftshilfe, Laienhilfe, ehrenamtliche Hilfe, bürgerschaftliches Engagement, in Kirchengemeinden und säkularen Vereinigungen - wird der Subsidiaritätsgedanke mit Leben gefüllt. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sind Sammelpunkte dieses Engagements und tragen in ihren Organisationsformen zur Unterstützung dieser Selbsthilfekräfte bei.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bieten Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren wollen, entsprechend ihren zeitlichen Möglichkeiten und persönlichen Fähigkeiten Betätigungs- und Beteiligungsmöglichkeiten und gestalten damit auch Lernfelder für gesellschaftliche Verantwortung und Solidarität. Sie bieten die Voraussetzungen für diese Lernfelder und motivieren bzw. aktivieren Menschen zum Einsatz für das Gemeinwohl. Sie bieten eine Möglichkeit, durch Übernahme von Verantwortung und Hilfe für andere eine persönliche Bereicherung zu erfahren, so z. B. mit der Durchführung des Freiwilligen Sozialen Jahres für junge Menschen, und setzen zudem den Gedanken einer generationen- und gesellschaftliche Schichten übergreifenden Solidarität in die Praxis um.

Viele frei gegründete Selbsthilfegruppen suchen das Dach eines Spitzenverbandes in der Freien Wohlfahrtspflege, um die vorhandene Organisationsstruktur zu nutzen, ohne die Selbständigkeit zu verlieren. Innerhalb der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege werden den Selbsthilfegruppen die Möglichkeiten gegeben, ihren selbst gestellten Aufgaben nachzukommen. Dies geschieht u. a. durch die Bereitstellung von Geschäftsstellen, Versammlungsräumen, Fort- und Weiterbildung für die Leiter von Selbsthilfegruppen und Supervision.

Vor diesem Hintergrund betrachten sich die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege als Gemeinwohl-Agenturen, die ihre der Gemeinschaft dienenden Überzeugungen und Werthaltungen gestaltend einbringen und in diesem Zusammenhang sowohl Nöten vorbeugend tätig sind und/oder auch die jeweils größte Not zum Ausgangspunkt ihrer Aktivitäten machen.

3. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege als Anwalt der Betroffenen
Personengruppen, die voll oder teilweise auf die Unterstützung der Gesellschaft angewiesen sind, wie z.B. behinderte, pflegebedürftige, arbeitslose, obdachlose, asyl-suchende oder sozial ausgegrenzte Menschen haben in unserer Gesellschaft nur geringe Möglichkeiten, ihre Vorstellungen zur Lösung der sie bedrängenden Nöte und Probleme in das Handeln der Gemeinschaft einzubringen. Sie werden oftmals nur wenig wahrgenommen oder gar übersehen. Es besteht die Gefahr, dass ihre Interessen im pluralistischen Zusammenspiel der Kräfte keine oder nur eine unzureichende Vertretung erfahren.

Mit ihren Diensten und Einrichtungen unterstützen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege diese Menschen in ihrer individuellen Notlage. Zur Hilfekonzeption gehört das Wahrnehmen der Interessen von Hilfebedürftigen und das Einbringen dieser Interessen in die öffentliche Diskussion möglichst im Zusammenwirken mit den Betroffenen. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege wollen in unserem Gemeinwesen an der sozialen und sozialpolitischen Entwicklung in unserem Staat mitwirken, indem sie auf soziale Probleme aufmerksam machen, auf politische Lösungen drängen und entsprechendes Fachwissen einbringen. Die Interessenvertretung zum Wohle Benachteiligter richtet sich vor allem an Gesetzgeber, Regierung, Verwaltungen und Öffentlichkeit. Die Verbände setzen sich für gerechte sozialpolitische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ein, die mitbürgerliches Engagement und Selbsthilfe ermöglichen und unterstützen und soziale Notlagen überwinden helfen. In diesem Sinne verstehen sie sich als Partner der Politik. Diese Aufgabe des Anwalts der Betroffenen durch Wohlfahrtsverbände dient damit auch dem gesellschaftlichen und sozialen Frieden.

4. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als soziale Dienstleistungsanbieter
Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege vertreten etwa 125.370 Einrichtungen und soziale Dienste mit 2 Million Beschäftigten. Wenn sich die einzelnen Spitzenverbände in ihren Wertorientierungen auch unterscheiden, so vereint sie bei der Vermittlung und Erbringung ihrer Hilfen eine auf dem Gemeinnützigkeitsprinzip beruhende Ausrichtung ihrer sozialen Arbeit und ein gemeinsames Grundverständnis ihres ökonomischen Handelns.

Anmerkung der Redaktion: Die Zahlen sind der Gesamtstatistik 2020 entnommen.

Unter dem Dach der Verbände gibt es die verschiedensten Organisationsformen von der Ebene der Komplexeinrichtungen mit mehr als 10.000 Beschäftigten bis hin zu ehrenamtlich ausgerichteten Selbsthilfegruppen.

Bei der Wahrnehmung sozialer Verantwortung durch den Staat hat es sich bewährt, dass dieser die Hilfeleistungsangebote der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege einbezieht, ohne deren Selbständigkeit zu beschränken. Zum einen wird davon ausgegangen, dass staatliche Stellen allein die notwendigen Hilfen nicht zur Verfügung stellen können und nur im Zusammenspiel zwischen öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden können, zum anderen hat sich aber auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass soziale Dienstleistungen in nicht-staatlichen Organisationsformen kostengünstiger und klientennäher erbracht werden können.

Bei aller Vielfalt der sozialpädagogischen und sozialpflegerischen Ansätze und Methoden, die die professionelle soziale Arbeit der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege heute auszeichnet - von der Gemeinwesenarbeit über Beratung bis zur Pflege und Rehabilitation - ist für sie prägend, dass diese auf der Ebene persönlicher Beziehungen basiert und von der Akzeptanz des Hilfesuchenden - unabhängig von Schwere, Art und Ursache seiner Problemlage - geprägt ist. Die Souveränität und die Eigenverantwortlichkeit des Hilfesuchenden bilden Ausgangspunkt und zugleich Ziel der sozialen Arbeit der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Mit ihrer Arbeit respektieren sie die Ganzheitlichkeit des Menschen und reduzieren ihn nicht auf einen bloßen Entgegennehmer eng umrissener Dienstleistungen.

Aus dem Selbstverständnis der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und der Ausübung der Trägerschaft für soziale Dienste, Einrichtungen und Projekte ergibt sich das Eintreten für die gemeinnützige Organisation sozialer Arbeit. Sie ist planmäßige, zum Wohl der Allgemeinheit und nicht des Gewinnstrebens wegen ausgeübte Sorge für notleidende und gefährdete Menschen. Etwa erzielte Gewinne werden zum Wohl bedürftiger Menschen eingesetzt. Weder natürliche Personen noch Vereinigungen dürfen durch Ausgaben, die dem Zweck der Freien Wohlfahrtspflege fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Freigemeinnützige Wohlfahrtspflege setzt dem legitimen Prinzip der Gewinnmaximierung der privat-gewerblichen Leistungsanbieter ausdrücklich das Prinzip des Mehr-Nutzens für den Hilfeempfänger und für die Gesellschaft schlechthin entgegen.

In den Diensten und Einrichtungen der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege geht es um die Zusammenführung moderner betriebswirtschaftlicher Methoden mit gemeinwohlorientiertem Handeln, wie auch von Hauptamtlichkeit mit Ehrenamtlichkeit auf der Grundlage fachlicher Orientierung. In dieser Verbindung wird im Bereich der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege nach optimalen Unterstützungsmöglichkeiten für die Hilfebedürftigen gestrebt.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege stellen sich als Leistungserbringer dem Wettbewerb und befürworten ihn dort, wo er zur Steigerung der Effizienz und zur Verbesserung der Hilfeleistungsinstrumente und -methoden beiträgt. Dieses gilt sowohl für den Wettbewerb unter freigemeinnützigen als auch gegenüber öffentlichen und privat-gewerblichen Leistungsanbietern. Das Wunsch- und Wahlrecht der Hilfebedürftigen ist ein wesentliches Element innerhalb dieses Wettbewerbes. Die Verbände lehnen jedoch die Einführung marktwirtschaftlicher Komponenten in dem Sozialbereich dann ab, wenn diese zu Lasten von Hilfebedürftigen gehen und wenn sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unerträglichen Belastungen aussetzen. Das marktwirtschaftliche, auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Modell versagt für die Bereiche des Sozialen. Wenn überhaupt, hat es nur eine relative Bedeutung, weil das rechtliche Verhältnis, das die Nachfrager einer Leistung sowie Leistungsträger und Leistungserbringer verbindet, marktähnliches Handeln nur stark eingeschränkt erlaubt. Zudem sind die Nachfrager sozialer Leistungen nicht selten in ihrer selbständigen Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt, so dass Kundensouveränität dann nicht gegeben ist.

Zur Durchführung der Gesamtheit ihrer Aufgaben sind die Dienste und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege auf Finanztransfers angewiesen, die die vorhandenen Eigenmittel in notwendiger Weise ergänzen. Der Einsatz dieser z. T. öffentlichen Mittel geschieht nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit. Sie unterliegen sowohl der internen als auch der externen Prüfung durch die Sozialleistungsträger. Geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen sind eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Vertrauensbasis zwischen Leistungsträgem und Leistungserbringern.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege tragen durch Aus-, Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch durch intensiven Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft sowie durch eine eigene Praxisforschung zur methodischen und fachlichen Qualifizierung und Weiterentwicklung des Systems und der Methoden sozialer Arbeit bei.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege insgesamt stehen für die Solidarität und Kontinuität ihres Leistungsangebotes und bewältigen ihre Aufgaben für eine sichere und beständige soziale Infrastruktur mit einem hohen Grad an Verlässlichkeit. Vor diesem Hintergrund organisiert sie auch die Vernetzung von Einrichtungen zu einem Gesamtsystem und wirkt in dieser Weise an der staatlichen Sozialplanung mit. Als Spiegel der pluralen Gesellschaft in Deutschland gewährleistet sie ein ebenso plurales Dienstleistungsangebot, das als ein integrales Element unserer Gesellschafts- und Werteordnung zu betrachten ist.